„Von Auschwitz in die Welt“ – Vier Gedenkdiener erzählen im Kulturforum in Rom von ihren Diensten

Was bedeutet der Gedenkdienst für die europäische Erinnerungskultur? Genau diese Frage stand im Fokus einer Veranstaltung, die am Dienstag, dem 23. Jänner 2018 dem Gedenkdienst in Italien eine große Bühne bot.

Unter dem Titel “Von Auschwitz in die Welt – Der Gedenkdienst in Italien als Teil der europäischen Erinnerungskultur” organisierten der Österreichische  Auslandsdienst, der Verein Gedenkdienst, das Österreichische Historische Institut in Rom und das Österreichische Kulturforum eine Veranstaltung anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktages. Veranstaltungsort war das elegante Anwesen des Kulturforums nördlich des Stadtzentrums von Rom, wo Kulturforumdirektorin Elke Atzler die vier jungen Österreicher, die derzeit in Italien ihren Gedenkdienst absolvieren, begrüßte.

Bedeutung des Gedenkdienstes gewürdigt

Die Veranstaltung begann mit Begrüßungsworten von Dr. Andreas Gottsmann, dem Direktor des Österreichischen Historischen Instituts. Er erklärte die Intention und die Geschichte des Gedenkdienstes, den Dr. Andreas Maislinger 1992 initiiert hatte. Eine große Würdigung erhielt der Gedenkdienst auch von den Partnerinstitutionen, etwa von Camilla Brunelli, der Direktorin des Museo e Centro di Documentazione della Deportazione e Resistenza in Prato, deren Grußbotschaft verlesen wurde. Die Bedeutung der Arbeit der jungen Gedenkdiener und deren besonderes Engagement stellten auch Mario Venezia, der Präsident der Fondazione Museo della Shoah, und Michele Sarfatti, emeritierter wissenschaftlicher Direktor des CDEC (Centro di Documentazione Contemporanea) in Mailand, in den Mittelpunkt ihrer Grußworte.

Die europäische Dimension von Erinnerung betonte auch Historiker Dr. Karlo Ruzicic-Kessler in seinem Beitrag mit dem Titel „Italien und die Shoah in Jugoslawien“ , indem er alte nationale Mythen anhand dieses konkreten historischen Beispiels in Frage stellte.

Prato, Rom, Mailand, Bologna – Vier Gedenkdiener in Italien

Im Hauptteil der Veranstaltung präsentierten die Gedenkdiener ihre Arbeit an den Einsatzstellen und stellten so die Vielseitigkeit des  Gedenkdienst unter Beweis. Den Beginn machte Simon Elmer, der auf seine Tätigkeiten am Museo della Deportazione in Prato einging und dabei besonders die Beziehungen zwischen den beiden Städten Prato und Ebensee betonte. Ihm folgte Felix Michael Hafner, der die römische Fondazione Museo della Shoah vorstellte. Er sprach über die verschiedenen Aktivitäten der Fondazione, die allesamt auf eine stärkere Einbindung der jungen Generationen abzielen und die Erinnerungsarbeit so auch generationenübergreifend gewährleisten soll. Ähnliches stellte auch Moritz Wizany, der seinen Gedenkdienst an der Fondazione Scuola di Sole über den Verein Gedenkdienst absolviert in den Fokus, indem er über das Massaker von Marzabotto, das 1944 deutsche Soldaten verübten, sprach – und wie daraus die Idee der „Scuola di Monte Pace“ entstand. Matthias Grafenauer berichtete über seine spannenden Aktivitäten  am Mailänder CDEC,  wo er seit September seinen Gedenkdienst leistet. Er ging auf die unterschiedlichen Bereiche des CDEC ein und sprach so etwa über die Arbeit in der Bibliothek oder jener in der Antisemitismus-Forschungsabteilung.  Zusätzlich  wurde aus Anlass der Veranstaltung die neue Kooperation mit Predappio, der Geburtsstadt von Benito Mussolini, und die Möglichkeit,  dort seinen Gedenkdienst zu absolvieren, vorgestellt.

Matthias Grafenauer, Felix Michael Hafner und Simon Elmer (v.l.) stellen ihre Arbeit vor

Abgerundet wurde die Vorstellung des Gedenkdienstes in Italien durch ein dreiminütiges Video, das von Matthis Kattnig, der seinen Gedenkdienst in Tel Aviv in Israel absolviert und extra für die Veranstaltung nach Rom reiste, konzipiert und erstellt worden war. In diesem Video erfuhren die Besucher noch mehr über die  persönliche Motivation der jungen Gedenkdiener und wieso diese genau Italien für ihren Gedenkdienst ausgewählt haben.

Gedenkdienst in Italien

Gestern fand im österreichischen Kulturforum in #Rom eine Veranstaltung zum internationalen Holocaust-Gedenktag statt. Organisiert wurde diese von unserem Rom Gedenkdiener Felix Michael Hafner in Zusammenarbeit mit dem Kulturforum und dem Österreichischen Historischem Institut. Mit dabei waren auch Gedenkdiener Simon Elmer aus Prato und Matthias Grafenauer aus Mailand sowie Moritz Wizany, der seinen Gedenkdienst in Bologna über den Verein Gedenkdienst absolviert. Video: Matthis Kattnig

Posted by Österreichischer Auslandsdienst on Mittwoch, 24. Januar 2018

Ab Juni kann ein Gedenkdiener am Dokumentationszentrum des 20. Jahrhunderts in Predappio mitarbeiten

In der folgenden Diskussion drehte sich alles um die Frage, wie man denn mit dem Erbe totalitärer Diktaturen umgehen soll und welche Rolle dabei die Erinnerungskultur dabei spielt. Amedeo Osti Guerrazzi, Historiker der Fondazione Museo della Shoah, eröffnete die Diskussion mit einem kurzen Impulsreferat, in dem er die Frage aufwarf, wieso in Italien auch heute noch Politiker revisionistische Ansichten im Bezug auf den Faschismus aufweisen. Ihm folgte ein weiterer prominenter Diskussionsteilnehmer und zwar der Bürgermeister von Predappio, Giorgio Frassineti, der die besondere geschichtliche Rolle von Predappio in seinem Diskurs hervorhob und wie eine kleine Stadt mit solch einem großen historischen Erbe umzugehen versucht. Dabei erklärte er auch das neue Projekt eines Dokumentationszentrum des 20. Jahrhunderts,  an dessen Realisierung ab Juni auch ein Gedenkdiener teilhaben kann.  Nach Wortmeldungen der Gedenkdiener, die die besondere Aufgabe ihrer Generation in der Bewahrung der Erinnerung an die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges betonten, gab es noch einige Publikumsmeldungen.

Internationales, gemischtes Publikum

Die Veranstaltung endete mit einem „Vin d’honeur“ im Atrium des Kulturforums, wo in Einzelgesprächen noch über den Gedenkdienst und die europäische Erinnerungskultur gesprochen und diskutiert werden konnte.  So waren nicht nur Österreich und Italien Thema der Veranstaltung, sondern wie etwa der Beitrag von Dr. Ruzicic-Kessler zeigte, auch Slowenien und Kroatien. Wie international das Interesse an der Veranstaltung war, zeigte sich auch durch den Besuch des slowenischen Botschafters, Tomaž Kunstelj.

Nicht nur die internationale Dimension der Erinnerung manifestierte sich so in dieser Veranstaltung, sondern durch die Beteiligung verschiedener Generationen am Programm der Veranstaltung zeigte sich auch, dass die Erinnerung an die Shoah und die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges auch in Zukunft gesichert sein wird.

Bericht: Felix Michael Hafner