„Ich wollte für mich was erreichen und ich wollte auch die Welt verändern.“

Dr. Andreas Maislinger ist Gründer und Vorsitzender des Vereins Österreichischer Auslandsdienst. 11 Jahre hatte er dafür gekämpft, dass der Gedenkdienst staatlich anerkannt ist. Mit David Buchwinkler sprach er über seine Erfahrungen und seine Familiengeschichte.
Andreas Maislinger

Andreas Maislinger

Wann kam es bei Ihnen zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der österreichischen Vergangenheit? Mein Vater, welcher in der deutschen Wehrmacht dienen musste, hat mir nach dem ich als Kind „Krieg“ spielte gesagt was Krieg wirklich bedeutet. Das war die erste bewusste Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg. Wie ist in Ihrer Familie über den Holocaust gesprochen worden? In meiner Familie ist immer wieder über den Zweiten Weltkrieg gesprochen worden aber sehr wenig über den Holocaust, da der Holocaust für eine Familie am Land sehr weit weg war. Mein Vater war im Zweiten Weltkrieg erst ganz am Schluss an der Front in Berlin und hat vieles von dem tatsächlich nicht mitbekommen. Die Grundeinstellung meiner Eltern war zum Zweiten Weltkrieg immer eine andere. Wenn mein Vater über die Kriegsgefangenschaft in Russland erzählt hat, ließ er kein einziges negatives Wort über die Russen fallen. Wie reagierte ihr Umfeld auf die Wehrdienstverweigerung? Man war damals als Zivildiener ein Drückeberger. Zivildienst gebt es seit 1. Jänner 1975 und ich hab nach meiner Matura ’74 verweigert da ich wusste, dass ’75 der Zivildienst kommen wird. Ich war damals einer der ersten Verweigerer. Man wusste gar nicht, wie bei solchen Fällen vorzugehen ist. Mein Vater hat jedoch gesagt, dass das richtig ist, denn „es waren schon genug Maislingers im Krieg“. Wie haben sie damals die Stadt Auschwitz wahrgenommen? Wie hat ihr Umfeld damals auf Auschwitz reagiert? Ich war vorher schon einmal dort weil ich eine Freundin in der Nähe hatte. Es war also für die, die mich gekannt haben nichts besonderes mehr, dass ich mit Aktion Sühnezeichen Friedensdienste nach Auschwitz gegangen bin. Als Freiwilliger von ASF haben wir direkt im Lager gewohnt. Ich war einer der wenigen die sich für die Stadt überhaupt interessiert haben. Ich bin immer wieder kurz in die Stadt gegangen, wurde aber deshalb immer wieder von meinen Kollegen schief angeschaut. Man hatte dort nur Interesse an der eigenen Vergangenheit. Wie soll man Kinder an die Thematik Zweiter Weltkrieg und Holocaust annähern? Es muss ein offenes Umfeld da sein. Aber man soll keine Menschen, vor allem nicht die eigenen Kinder in eine Bahn hineindrängen. Intervenieren sollte man nur, wenn etwas grob daneben geht. Am Besten ist, wenn sich die Kinder selber entfalten können. Was bewegt Sie weiter zu machen und nicht aufzugeben? Mich hat die Geschichte von Tom Neuwirth (Conchita Wurst) sehr berührt. Ich hatte auch eine Idee, bei der alle gesagt haben, dass sie nicht umsetzbar sei. Und ich habe gesagt: „Nein, ich mache Zivildienst in Auschwitz.“ Ich wollte für mich was erreichen und ich wollte auch die Welt verändern. Das treibt mich bis heute an.