Shoabusiness, Jüdische Rundschau

22.06.1995

Projekt Beschreibung

Jüdische Rundschau 22. Juni 1995

Shoabusiness

von Andreas Maislinger

Vor fünf Jahren habe ich in Yad Vashem zum erstenmal diesen Begriff gehört. Ich erinnere mich noch genau an meine Gefühle und Gedanken, als der Leiter des englischsprachigen Holocaust-Seminars den Satz „There’s no business like Shoabusiness“ aussprach. Es ist mir entfallen, worauf sich seine Kritik bezog, ich und die anderen Seminarteilnehmer, mit denen ich anschließend darüber sprach, spürten jedoch, daß er mit seinem Vergleich den Nagel auf den Kopf traf. Seitdem habe ich das Wort „Shoabusiness“ immer wieder gehört. Ohne daß dieser Begriff jemals genau definiert worden wäre, weiß offensichtlich jeder ganz genau, was damit gemeint ist.

Soweit es feststellbar ist, wurde der Begriff in den 80er Jahren von jüdischen Intellektuellen in New York geprägt. Obwohl „Shoabusiness“ inzwischen nicht nur in den USA und in Israel geläufig ist, wird er auch im deutschsprachigen Raum fast ausschließlich von jüdischen Intellektuellen verwendet. In den USA war es vor allem der Vorwurf des oberflächlichen Entertainments (etwa im Simon-Wiesenthal-Centre in Los Angeles) und der Trivialisierung des Holocaust durch die gleichnamige Fernsehserie. In Deutschland bezieht sich meiner Erfahrung nach der Shoabusiness-Vorwurf vor allem auf ein unvermitteltes Aufspringen auf die zunehmende Beschäftigung mit dem Holocaust seit Mitte der 80er Jahre. Wenn ein Historiker, der sich bis dahin vor allem mit der Deutschen Frage beschäftigt hat, plötzlich Israel und den Holocaust entdeckt, muß er sich die bissige Bemerkung, Shoabusiness zu betreiben, gefallen lassen. Ähnlich ergeht es dem jungen Leiter eines Holocaust-Zentrums in Deutschland, der vor der Übernahme dieser Funktion nicht als qualifizierter Historiker hervorgetreten ist.

Die Beschäftigung mit dem Holocaust und die Aufklärung über die Verbrechen der Nationalsozialisten ist mit einem moralischen Anspruch verbunden. Wegen des noch immer vorhandenen (oder sogar zunehmenden) Widerstandes gegen die schonungslose Aufklärung über den Mord an den europäischen Juden ist es natürlich naheliegend, mit Kritik zurückhaltend zu sein. Die Kritik könnte nur zu leicht mißverstanden werden. Die Angst vor einer möglichen Vereinnahmung durch Antisemiten und Leugner des Holocaust führt immer wieder dazu, daß eine notwendige Kritik an mißlungenen oder zweifelhaften Projekten nur sehr zurückhaltend oder überhaupt nicht geäußert wird. „Das ist doch Shoabusiness“, von einer Autorität ausgesprochen, wirkt dann immer wieder befreiend. In einem anderen Zusammenhang hat ein österreichischer Schriftsteller von „erpreßter Solidarität“ gesprochen. Bei einem guten (oder gut gemeinten) Anliegen müssen einfach alle guten Menschen mitmachen. Hat das Vorhaben erst einmal die höheren Weihen der „Gutmenschen“, kann nicht mehr viel passieren. Da die mindere Qualität und/oder die zweifelhafte Motivation des Künstlers oder Wissenschafters aber trotzdem wie in jedem anderen Bereich erkannt wird, fügt die erzwungene Zustimmung der guten Absicht Schaden zu und bewirkt genau das, was durch die Unterdrückung von Kritik vermieden werden sollte.

Diese Kritiklosigkeit nützt dem Gegner.

Shoabusiness Translation by Stephan Grabner I first heard this term in Yad Vashem five years ago. I can still remember the thoughts I had and the way I felt when the speaker at a Holocaust workshop said that ‘There’s no business like Shoabusiness.’ I forget what exactly he was criticizing, however I and the other participants realized immediately that he had hit the nail on the head. I have heard the term ‘Shoabusiness’ many times since then. Although nobody has ever really defined it, everybody seems to know exactly what it means. As far as we know, the term was coined by a Jewish intellectual in New York in the 1980s. Although ‘Shoabusiness’ is not only used in the USA and Israel, nobody but Jewish intellectuals use it in the German-speaking world. In the USA it is usually used to describe superficial entertainment (such as at the Simon-Wiesenthal-Centre in Los Angeles) and the trivialization of the Holocaust through the eponymous TV series. In Germany, it is often used to criticize people who suddenly join the ranks of those dealing with the Holocaust. If a historian who had so far mainly dealt with other parts of German history suddenly ‘discovers’ Israel and the Holocaust, he has to expect to be categorized as somebody who is in the Shoabusiness. This is exactly what the young director of a Holocaust centre in Germany, who had not been known as a qualified historian prior to his appointment, had to experience.

Projekt Details

  • Datum 23. August 2016
  • Tags Pressearchiv 1995

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