„Das Innenministerium hält uns für Weicheier“, Die Presse

08.05.2000

Projekt Beschreibung

Die Presse 8. Mai 2000 Innenpolitik

„Das Innenministerium hält uns für Weicheier“

Gedenkdienst. Die „kleinen Botschafter Österreichs“ im Ausland sehen ihre „symbolträchtige Arbeit“ durch Sparmaßnahmen bedroht. Ein Gespräch mit dem Zivildiener Kopetzky, der im Holocaust Museum in Washington tätig ist. Von unserer Korrespondentin EVA MALE

WASHINGTON. Intern werden sie die „kleinen Botschafter Österreichs“ genannt, jene Handvoll GEDENKDIENSTleistender, die ihren Zivildienst im Ausland absolvieren. Einer von ihnen ist Roman Kopetzky, 24, tätig am „Holocaust Memorial Museum“ in Washington. Er sieht den GEDENKDIENST als „optimale Gelegenheit, den Zivildienst zu erledigen und dabei gleichzeitig etwas Sinnvolles zu tun und Erfahrungen im Ausland zu sammeln“. Kopetzky ist der sechste Österreicher, der einen GEDENKDIENST beim Holocaust-Museum in Washington leistet, das 1993 eröffnet und seither von mehr als 13 Millionen Menschen besucht wurde.

Der junge Salzburger hatte durch Zufall nach seinem Studium der Internationalen Wirtschaftswissenschaften über eine Uni-Zeitung vom GEDENKDIENST erfahren. Seine Arbeit am „Center for Advanced Holocaust-Studies“ des Museums konzentriert sich auf folgende Schwerpunkte: Beantwortung von Anfragen (seitens Schulen, Think Tanks, der „Claims Conference“ etc.) zu Detailbereichen des Holocaust (Zitate, Personen, Daten); Mitarbeit an wissenschaftlichen Projekten. Derzeit wird gerade ein „Thesaurus of Concentration Camps, Ghettos, Labor Camps, Detention Camps and Prisons in Europe during the Holocaust“ erstellt, sämtliche Nebenlager müssen elektronisch erfaßt werden; Mitarbeit bei der Organisation von Ausstellungen; Führungen für österreichische Besucher.

Akademiker bevorzugt

Dazu kommen gelegentliche Übersetzungsarbeiten. Kopetzky kann Englisch, Französisch, etwas Polnisch und Spanisch. Wegen der starken wissenschaftlichen Komponente werden für den GEDENKDIENST-Posten in Washington Akademiker bevorzugt. Daß er kein Historiker ist, so Kopetzky, sei nicht erheblich. Darüber hinaus pflegt der junge Zivildiener Kontakte zu österreichischen Emigranten.

Da ist etwa Lena Gitter, die ihre Liebe zu Österreich neu entdeckt und die Staatsbürgerschaft wieder angenommen hat. Kopetzky begleitete sie, als sie im Vorjahr nach Österreich reiste, um wissenschaftliche Bücher zu stiften. Dem Emigranten Michael Kraus wiederum hilft Kopetzky gerade bei der Organisation einer „Gedenkreise“ nach Mauthausen. Hiebei handelt es sich freilich um „Fleißaufgaben“ des engagierten Zivildieners, der höchst verärgert ist über die Behauptung der FP-Abgeordneten Helene Partik-Pablé, daß „die Gedenkdiener ohnehin nur Gedenktafeln putzen“.

Seine Tätigkeit sei vielmehr eine „unglaublich symbolträchtige Arbeit“, erklärt Kopetzky. „Wir stehen für den ehrlichen Umgang Österreichs mit der Vergangenheit. Wir zeigen, daß unser Land durch den GEDENKDIENST einen Beitrag leistet, und können die Wahrnehmung Österreichs im Ausland differenzierter gestalten.“ Immer wieder sei er natürlich zu den jüngsten politischen Entwicklungen in Österreich befragt worden. Er versuche, Verallgemeinerungen und allzu emotionalisierten Diskussionen entgegenzuwirken. „Natürlich haben die Leute, mit denen ich hier zu tun habe, ein relativ differenziertes Bild“, so Kopetzky.

„Falsches Signal“

„Die Leute im Museum sind natürlich wahnsinnig froh, daß wir da sind, weil wir ihnen viel Arbeit abnehmen; sie schätzen sich glücklich, daß gut ausgebildete junge Menschen sich interessieren und engagieren.“ Trotz allem: Durch geplante Sparmaßnahmen ist das Projekt massiv gefährdet „das wäre ein falsches Signal, denn die Sache hat uns international viel Ansehen gebracht. Es ist ein schizophrener Widerspruch“, erklärt Kopetzky, „das Außenministerium liebt uns, das Innenministerium hält uns für „Weicheier“.“

Laut derzeitiger Bemessungsgrundlage sind pro Zivildiener pro Jahr 140.000 Schilling (10.174,1Euro) vorgesehen; für einen Posten auf einem teuren Pflaster wie Washington muß der Betroffene schon jetzt etwa dieselbe Summe aus der eigenen Tasche zuschießen, um über die Runden zu kommen. „Eine weitere Kürzung können wir nicht akzeptieren.“ Kopetzky ist beim „Verein GEDENKDIENST“ angestellt, einer von drei Trägerorganisationen, die vom Innenministerium für die Abwicklung des GEDENKDIENSTes durch Zivildiener anerkannt werden. An 19 Stellen (etwa Jerusalem, Moskau, Prag, Vilnius) sind durch den „Verein GEDENKDIENST“ rund 25 Personen beschäftigt (jeweils 14 Monate), Interessenten gibt es jährlich zwischen 80 und 100, aus denen im Rahmen eines Seminars jeweils die Geeignetsten ausgewählt und gründlich vorbereitet werden. „Wenn einer nur glaubt: „Ah, lässig, gemma nach New York, hat er keine Chancen.“

Projekt Details

  • Datum 2. Juli 2016
  • Tags Pressearchiv 2000

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