Kurier: Was wird aus Hitlers Geburtshaus?

11.10.2009

Projekt Beschreibung

Braunau am Inn: Einst Pilgerstätte für Ewiggestrige, soll das Gebäude künftig als „Haus des Friedens“ Verwendung finden Was wird aus Hitlers Geburtshaus?
Von Georg Markus Braunau kann nichts dafür. Und doch steht’s in jedem Lexikon, weiß es jedes Kind, wird es von keinem Fremdenführer verschwiegen: Braunau am Inn ist die Geburtsstadt Adolf Hitlers. Nun soll das Haus, in dem der spätere „Führer“ am 20. April 1889 das Licht der Welt erblickt und seine ersten drei Lebensjahre verbracht hat, eine neue Bestimmung erhalten. Der Grund: Die bisherigen Mieter ziehen aus. Die Familie Hitler wohnte in einer kleinen Mietwohnung im ersten Stock des Eckhauses „Salzburger Vorstadt Nr. 15“ in Braunau. Hitler sah es „als glückliche Bestimmung, dass das Schicksal mir Braunau zum Geburtsort zuwies“, weil „dieses Städtchen an der Grenze jener zweier deutscher Staaten liegt, deren Wiedervereinigung uns Jüngeren als eine mit allen Mitteln durchzuführende Lebensaufgabe erscheint“. Führers Geburtshaus 1912, als der gescheiterte Kunstmaler Adolf Hitler bereits in einem Wiener Armen-Asyl lebte, ging das Haus in Braunau in den Besitz der Familie Pommer über, die auch den Gasthof im Erdgeschoß betrieb. Nach dem „Anschluss“ Österreichs wurde das „Geburtshaus des Führers“ an die NSDAP verkauft, die es zum „Kulturzentrum“ erklärte. Als im Mai 1945 ein deutscher Stoßtrupp das symbolträchtige Gebäude in die Luft sprengen wollte, konnte das von amerikanischen Soldaten verhindert werden. Bald an die frühere Besitzerfamilie Pommer rückerstattet, diente das Haus als Unterkunft für eine Bücherei, eine Schule und zuletzt als Wohnheim und Werkstätte behinderter Menschen der „Lebenshilfe“. Nun hat die „Lebenshilfe“-Organisation einen Neubau bezogen, in den die meisten Bewohner des „Hitlerhauses“ übersiedelt sind, die anderen werden es 2010 verlassen. Was wird dann aus Hitlers Geburtshaus? „Das ist eine heikle Frage“, sagt Gerhard Skiba, der Bürgermeister von Braunau. Heikel, weil die Stadt kein Wallfahrtsort für Ewiggestrige sein will. „Wie früher ehemalige Kriegsteilnehmer kamen, besteht heute die Gefahr, dass wir zum Anziehungspunkt für Neonazis werden. Das will ich verhindern, und die Bewohner von Braunau stehen zu 99 Prozent hinter mir.“ Skibas Plan: „Die Republik Österreich soll das Haus kaufen, damit es in die Verfügbarkeit des Staates gelangt. Mir schwebt ein ,Haus des Friedens‘ oder ein ,Haus der Verantwortung‘ vor, in dem soziale Projekte verwirklicht und Ausstellungen gezeigt werden.“ Das Wort Museum lehnt der Stadtchef ab, „weil die Gefahr besteht, dass das Haus dann in aller Welt als Hitler-Museum bezeichnet wird.“ Genau das darf es nicht sein. Der SP-Bürgermeister will, dass sich Braunau „seiner Geschichte stellt und die Gräuel der Nazizeit in diesem Haus aufgezeigt werden“. Er nimmt demnächst Gespräche mit Bundeskanzleramt, Innen- und Finanzministerium auf, um den Kauf in die Wege zu leiten. Und er ist, obwohl bisherige Verhandlungen am Willen der Besitzerin gescheitert sind, optimistisch, dass es diesmal klappen wird. Museum der Befreier Es liegen aber auch andere Vorschläge zur Nutzung vor: „Die Braunauer sind es leid, dass ihre Stadt primär als Geburtsort Hitlers gesehen wird“, meint die deutsch-amerikanische Historikerin Anna Rosmus und liefert ein Konzept für ein Museum der amerikanischen Befreier. Es soll nach General Reinhart, dem Kommandanten jener US-Division benannt werden, die Oberösterreich im Mai 1945 befreite. Der Innsbrucker Politologe Andreas Maislinger – Initiator dieser Idee – betont, „dass Reinhart sich als Militärgouverneur von Oberösterreich vorbildlich verhalten und das heimische Kultur- und Wirtschaftsleben wieder in Gang gebracht hat.“ Hitlers Zeit in Braunau „Eine Dreiteilung“ des im Zentrum der Stadt gelegenen, rund 500 Quadratmeter großen Hauses kann sich der Historiker und Braunauer Gymnasialdirektor Florian Kotanko vorstellen: „In einem Teil des Gebäudes könnte Hitlers Zeit in Braunau dokumentiert werden, in einem anderen Teil die Befreiung durch die Amerikaner, und ein weiterer Blick sollte den Besucher in die Zukunft weisen.“ Bürgermeister Skiba will „über alle Ideen diskutieren, aber keine vorschnellen Entscheidungen treffen“, ist doch die Nutzung des „Hitlerhauses“ in Braunau seit Jahrzehnten schon ein Thema: Nach dem Krieg gab es den Plan, das Gebäude abzureißen, später wollte man darin eine Mahnstätte gegen Krieg und Faschismus errichten. Als der Gemeinderat an der Fassade eine Gedenktafel anbringen wollte, wurde dies von der Hausbesitzerin per Gerichtsbeschluss verhindert, da sie Angst vor möglichen Anschlägen hatte. Worauf Bürgermeister Skiba im April 1989 – zwei Wochen vor Hitlers 100. Geburtstag – vor dem Gebäude und damit auf öffentlichem Grund einen Mahnstein „Für Frieden, Freiheit und Demokratie“ aufstellen ließ, mit dem der Millionen Opfer des Nationalsozialismus gedacht wird. Der Stein stammt aus dem ehemaligen KZ Mauthausen. Aufarbeiten Auch sonst ist man in Braunau bemüht, Signale zu setzen. So veranstaltet der „Verein für Zeitgeschichte“ seit 1992 einmal im Jahr die “Braunauer Zeitgeschichte-Tage“, bei denen das „Unerwünschte Erbe“ wissenschaftlich aufgearbeitet wird. Und es gelang, den Verkauf von Hitler-Memorabilien in mehreren Geschäften einzustellen. Der Geburtsort des „Führers“ bietet Neonazis und Ewiggestrigen keine Attraktion mehr. Braunau ist auf dem Wege, eine ganz normale Stadt zu werden.

Projekt Details

  • Kunde Kurier
  • Datum 26. April 2016
  • Tags Pressearchiv 2009

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