Kein Geld für Gedenkdienerinnen an Holocaust-Mahnmälern, Der Standard

24.08.2012

Projekt Beschreibung

Der Standard, 24.08.2012

Kein Geld für Gedenkdienerinnen an Holocaust-Mahnmälern

Franziska Zoidl
Artikelbild foto: epa/abir sultan Auch im Yad Vashem Holocaust Memorial Museum in Israel arbeitet ein Gedenkdiener aus Österreich.

Heuer geht nur eine einzige Frau ins Ausland – Finanzierung ist zwar im Gesetz geregelt, aber die Vereine haben kein Geld

Seit zwanzig Jahren gibt es für junge Österreicher die Möglichkeit, an einer Holocaust-Gedenkstätte im Ausland ihren Zivildienst zu absolvieren. Auch junge Frauen könnten theoretisch als Gedenkdienerinnen im Ausland arbeiten. Praktisch gibt es für sie aber keine Förderung.

Gehalt: Null Euro

„Es gibt heute noch die Möglichkeit, mit Zeitzeugen über Zeitgeschichte zu sprechen. Es ist wichtig, diese Gelegenheit zu nutzen.“ So fasst Melanie Pfeffer zusammen, warum sie trotz fehlender Bezahlung als Gedenkdienerin für den Verein „Österreichischer Auslandsdienst“ tätig sein will. Die Studentin der Transkulturellen Kommunikation wird ab November für ein halbes Jahr im Florida Holocaust Museum in St. Petersburg in den USA arbeiten. Dort ist sie für Fundraising und das Unterrichten von Schülergruppen zuständig. Ein Vollzeitjob, für den sie nichts bezahlt bekommt: Sie muss für ihre Versicherung, die Unterkunft und den Flug selbst aufkommen. Finanzieren wird sich die 24-Jährige das durch Erspartes und mit dem Geld, das sie während ihrer Bildungskarenz von einem Halbzeitjob bekommt.

Unleistbare Auslandsarbeit

Während der Gedenkdienst für junge Männer als Zivildienst angerechnet und daher bezahlt wird, ist für die Gedenkdienerinnen das Sozialministerium zuständig. Geregelt ist das seit 1. Juni im Freiwilligengesetz: Gedenkdienerinnen steht demnach in ihrem Jahr im Ausland der Bezug der Familienbeihilfe zu und sie sind versichert. Außerdem müssen sie ein monatliches Taschengeld von ihrem Verein erhalten. Das Problem: Voraussetzung dafür ist, dass die Gedenkdienerin bei einer anerkannten Organisation den Gedenkdienst absolviert. Und in Österreich gibt es davon keine. „Von den Vereinen in Österreich hat bisher niemand den Antrag darauf gestellt“, heißt es aus dem Sozialministerium. Der Verein „Österreichischer Auslandsdienst“ kann sich das nicht leisten: „Wir müssten dann das Taschengeld der Gedenkdienerinnen aus eigener Kassa bezahlen“, sagt Jörg Reitmaier, der selbst ehrenamtlich tätig ist.

Der Fonds ist leer

Auch der Verein „Gedenkdienst„, eine weitere Organisation, die Stellen im Ausland vermittelt, kennt das Problem. „Wir können heuer das erste Mal seit Jahren gar keine Gedenkdienerin ins Ausland schicken“, sagt die Geschäftsführerin Magdalena Neumüller. Und das, obwohl es mehr als zwanzig Interessentinnen für die Stellen an Gedenkstätten, wie zum Beispiel Holocaust-Museen und Kulturzentren im Ausland, gegeben hätte. In den letzten Jahren bezahlte der Verein die Gedenkdienerinnen aus dem Geschwister-Mezei-Fonds. In diesen Fonds, benannt nach einem jüdischen Geschwisterpaar, das während der NS-Zeit umgebracht wurde, können Parteien, Institute und Privatpersonen einzahlen. Bisher war es dadurch jedes Jahr möglich, ein oder zwei junge Frauen ins Ausland zu schicken und für ihre Tätigkeit zu bezahlen. Dieses Jahr geht das nicht mehr: Der Fonds ist leer und ganz ohne jede Förderung will der Verein niemanden ins Ausland schicken. „Von unseren früheren Geldgebern hören wir immer dasselbe: Wegen der Finanzkrise haben wir kein Geld“, sagt Neumüller.

Auch bei Gedenkdienern Kürzungen

Die Situation für Gedenkdienstvereine sei schwierig in Österreich, erklärt Jörg Reitmaier: „Auch die Finanzierung der männlichen Gedenkdiener stand dieses Jahr auf der Kippe.“ Im Frühjahr wurde die Jahresförderung durch das Innenministerium das zweite Mal innerhalb von zwei Jahren gekürzt. Statt 9.000 Euro wird ein Gedenkdiener im Ausland jetzt nur noch mit 8.100 Euro pro Jahr unterstützt. Zwar wurde von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) im März angekündigt, dass diese Kürzung rückgängig gemacht würde. Woher das Geld dafür aber konkret kommen soll und wann es so weit ist, weiß man weder in der Politik, noch bei den Vereinen.

Umstrukturierung des Gedenkdienstes

Jörg Reitmaier fordert eine komplette Neuorganisation des Gedenkdienstes. Er will eine dauerhafte gesetzliche Absicherung für die Unterstützung der Gedenkdiener vom Innenministerium. Bisher waren die Vereine nämlich jedes Jahr wieder von einer Unterstützungszusage der Innenministerin abhängig. Die Nationalratswahlen nächstes Jahr würden mit einer Ressortneuverteilung und Umstrukturierung eine große Chance für einen Neuanfang bieten. Melanie Pfeffer wird davon nichts mehr haben. Sie lernt gerade englische Fachtermini und liest sich in das Leben wichtiger Zeitzeugen ein. Und das, obwohl ihr keine Entlohnung für ihre Arbeit winkt. „Aber die Erfahrungen, die ich dort mache, kann mir niemand nehmen.“ (Franziska Zoidl, derStandard.at, 24.8.2012)
Wissen In Österreich gibt es drei Vereine, die Gedenkdienern ins Ausland schicken: den Verein Österreichischer Auslandsdienst, den Verein GEDENKDIENST und den Verein „Niemals vergessen„. Junge Männer, die als Zivildienstersatz als Gedenkdiener absolvieren, arbeiten mindestens 12 Monate im Ausland, meistens an einer Holocaust-Gedenkstätte. Links Verein GEDENKDIENST Verein Österreichischer Auslandsdienst Link: http://derstandard.at/1345164859336/Kein-Geld-fuer-Gedenkdienerinnen-an-…

Projekt Details

  • Datum 12. Juli 2016
  • Tags Pressearchiv 2012

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