Gedenkdienst in Finanznöten, Tiroler Tageszeitung

30.08.1997

Projekt Beschreibung

Bund dreht Trägerverein nach Führungsstreit den Geldhahn zu – Zivildiener seit April unbezahlt

Gedenkdienst in Finanznöten

Nach einem Führungsstreit im Trägerverein stehen 18 Holocaust-Gedenkdiener ohne Bezahlung da. Vereinsobmann Maislinger will das Projekt mit einem neuen Verein fortsetzen. INNSBRUCK (schra). Ein Konflikt in mehreren Richtungen hat den Innsbrucker Verein „Gedenkdienst“ in finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Seit 9. Februar wartet Vereinsobmann Andreas Maislinger, 42, auf Geld aus dem Innenministerium. Mit ihm warten 18 junge Männer, die über Vermittlung des „Gedenkdienstes“ anstelle eines Zivildienstes einen 14monatigen Dienst an einer Holocaust-Gedenkstätte leisten. Ein in Tel Aviv stationierter Gedenkdiener hatte kürzlich die Volksanwaltschaft eingeschaltet. Seit 1. April wartet der 27jährige vergeblich auf die – je nach Einsatzort – 5000 bis 7000 S, die in der Vergangenheit vom Ministerium zugeschossen wurden. Der junge Mann, so Volksanwalt Horst Schender, müsse sich in Israel neben seiner Arbeit an der Holocaust-Gedenkstätte als Tellerwäscher verdingen, um sich über Wasser halten zu können. Das Innenministerium möge diese „unzumutbare Situation“ sofort abstellen. Das Ministerium spielt den Ball jedoch an Maislinger weiter. In dessen Verein hatte es im Mai eine Palastrevolution gegeben. Der Wiener Student Sascha Kellner hatte sich bei einer, wie Maislinger sagt, „statuswidrigen“ Vereinsversammlung zum Obmann wählen lassen, obwohl Maislinger diesen Posten innehatte. Weil Kellner seine Obmannschaft aber den Vereinsbehörden meldete, stand der „Gedenkdienst“ plötzlich mit zwei Chefs da. Das Ministerium stellte daraufhin seine „Gedenkdienst“-Arbeit ruhend – bis zur Klärung dessen, wer tatsächlich der Ansprechpartner sei. Maislinger gesteht zwar die internen Querelen ein. Er vermutet aber, dass die Streitereien als Vorwand dafür verwendet werden, dem Verein die Bundesunterstützung zu entziehen. Dabei sei der Obmannstreit ebenfalls auf die ausständigen Zahlungen zurückzuführen gewesen, sagt Maislinger. Als die Gedenkdiener nicht mehr bezahlt werden konnten, sei der Konflikt losgebrochen. Er selbst, so Maisliner, führe seine Tätigkeit ohne Bezahlung aus. Der Politologe will den „Gedenkdienst“ aber keinesfalls aufgeben, sondern mit neuem Vereinsnamen wieder Partner des Ministeriums werden. Am 12. August meldete Maislinger bei der Tiroler Sicherheitsdirektion den Verein „Österreichischer Gedenkdienst“ an. Über diesen soll nun der Gedenkdienst organisiert werden. Den auf ihr Geld wartenden jetzigen Gedenkdienern kann Maislinger nur wenig Trost spenden. Aus eigener Tasche habe er aber die Sozialversicherung der Betroffenen berappt, sagt Maislinger. Von Politischer Seite signalisierten SP-Chef Herbert Prock und der grüne LA Franz Klug Unterstützung für Maislinger. Prock will das Thema mit seinem Parteikollegen Innenminister Karl Schlögl besprechen. Klug forderte die „unbürokratische Umsetzung“ der Gedenkdienst-Idee.

Projekt Details

  • Datum 27. August 2016
  • Tags Pressearchiv 1997

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