APA, 02.02.2012
Freiwilliges Engagement erhält einen gesetzlichen Rahmen Sozialausschuss befürwortet ein Freiwilligengesetz
Wien (PK) - Eine Regierungsvorlage zu einem eigenen
Freiwilligengesetz erhielt heute im Sozialausschuss mehrheitliche
Zustimmung. Damit soll freiwilliges Engagement in Österreich
gefördert werden. In Kraft treten soll das Gesetz am 1. Juni 2012.
Gemäß den Erläuterungen sind derzeit rund 44 % der österreichischen
Bevölkerung ab 15 Jahre freiwillig oder ehrenamtlich tätig. Unter
anderem legt das neue Gesetz die Rahmenbedingungen für die
Absolvierung eines "Freiwilligen Sozialjahres", eines "Freiwilligen
Umweltschutzjahres" sowie eines Gedenkdienstes in Österreich sowie
eines Gedenk-, Friedens- und Sozialdienstes im Ausland fest. Überdies
ist die Schaffung eines Freiwilligenrates sowie die Einrichtung eines
Anerkennungsfonds für Freiwilliges Engagement beim Sozialministerium
vorgesehen. Einstimmige Zustimmung fand im Ausschuss auch eine
Gesetzesänderung, wonach das Bundessozialamt künftig auch für
Opferfürsorge zuständig sein wird, und ein S-V-Antrag zur Änderung
des Urlaubs- und Landarbeitsgesetzes, mit der Urlaubsansprüche bei
Inanspruchnahme von Karenzzeiten gesichert werden.
Abgelehnt wurden hingegen ein Antrag des BZÖ, der auf eine
Verbesserung der Rahmenbedingungen für Freiwilligenarbeit und eine
entsprechende Gesetzesvorlage abzielte, sowie ein Antrag der Grünen
auf eine Verdoppelung der Beträge für Opfer des NS-Terrors gemäß dem
Opferfürsorgegesetz.
Freiwilliges Sozialjahr und Freiwilligendienste werden geöffnet
Das Freiwillige Sozialjahr und die anderen Freiwilligen-Dienste
stehen künftig allen Personen ohne einschlägige abgeschlossene
Berufserfahrung offen, die zumindest 17 - in Ausnahmefällen 16 -
Jahre alt sind. Die Einsatzdauer muss zwischen sechs und zwölf Monate
betragen, darüber hinaus sind maximal 34 Wochenstunden erlaubt. Wer
jünger als 24 Jahre ist, hat Anspruch auf Familienbeihilfe, im
Gegenzug entfällt die seit 2005/06 gewährte Ersatzzahlung in Höhe von
150 € für TeilnehmerInnen am Freiwilligen Sozialjahr. Außerdem ist
ein verpflichtendes Taschengeld von Seiten der Trägerorganisationen
in zumindest der halben Höhe der Geringfügigkeitsgrenze vorgesehen.
Auch der Kinderabsetzbetrag kann geltend gemacht werden. Damit wird
etwa der Gedenkdienst, der bisher fast ausschließlich von
Zivildienern absolviert wurde, auch für Frauen attraktiver. Für
sämtliche Trägerorganisationen gelten strenge Qualitätskriterien. Der
Freiwilligenrat wird als institutionalisiertes Dialogforum
eingerichtet, um mit dem Sozialministerium Richtlinien zu erarbeiten
und es ihn in Fragen der Freiwilligenpolitik zu beraten. Er wird die
Vernetzung fördern, Empfehlungen zur Weiterentwicklung der
Freiwilligenpolitik ausarbeiten und am Freiwilligenbericht des
Sozialministers mitwirken. Gemeinsam mit der Regierunsvorlage (1634
d.B.) stand auch ein Antrag des BZÖ zur Verhandlung, wonach
freiwilliges Engagement, etwa bei der Feuerwehr oder beim Roten
Kreuz, mehr gefördert werden sollte (1458/A(E)).
In der Debatte begrüßte Abgeordneter Norbert Hofer (F) die
gesetzliche Regelung der Freiwilligenarbeit grundsätzlich. Allerdings
hätte er darin gerne einige weitergehende Regelungen gewünscht, etwa
hinsichtlich von Dienstfreistellungen oder zur Förderung von
Kleinbetrieben, die Freiwillige beschäftigen. Da eine Reihe der von
der FPÖ geforderten Maßnahmen nicht umgesetzt wurde, werde seine
Fraktion dem Gesetz nicht zustimmen.
Abgeordneter August Wöginger (V) sprach hingegen von einem wichtigen
Signal, da nun das freiwillige Sozialjahr einen gesetzlichen Rahmen
erhalte. Was die Forderung nach bevorzugter Aufnahme Freiwilliger im
öffentlichen Dienst betreffe, sei diese nur schwer in eine
gesetzliche Regelung zu übersetzen. Das Bundeskanzleramt werde aber
an alle öffentlichen Stellen ein Schreiben schicken, wonach
Freiwilligenarbeit bei Einstellungen entsprechend berücksichtigt
werden soll. Wichtig sei es auch, den Betrieben, welche Freiwillige
beschäftigen, eine entsprechende Anerkennung zu zollen. Dem Antrag
des BZÖ werde er nicht die Zustimmung erteilen, da er durch das
Gesetz teilweise überholt sei oder aber Maßnahmen fordere, die zu
kostspielig wären.
Abgeordnete Ursula Haubner (B) meinte, das Gesetz setze ein wichtiges
Signal für die Freiwilligenarbeit. Es sei gut, dass damit das
Freiwillige Sozialjahr als Berufsorientierungs- und Ausbildungsjahr
anerkannt und Rechtssicherheit geschaffen werde. Allerdings habe das
Gesetz zu wenig Anreizwirkung. Ein Präzisierung sollte noch bei den
Kriterien des Anerkennungsfonds für Betriebe und der Definition der
"Träger freier Wohlfahrtspflege" erfolgen, meinte Haubner. Zu ihrem
Antrag meinte sie, dieser enthalte auch die Forderung nach
Anerkennung von Freiwilligenarbeit für die Pensionszeiten. Auch wenn
die mit der Umsetzung verknüpften Probleme im Detail diskutiert
werden müssten, sollte das Thema nicht einfach vom Tisch gewischt
werden, forderte Haubner.
Abgeordnete Christine Lapp (S) sah ein gutes Ergebnis einer langen
Diskussion, mit dem eine wichtige gesetzliche Basis für
Freiwilligenarbeit geschaffen werde. Man schaffe auch klare
Regelungen für die Trägerorganisationen und verankere den
Österreichischen Freiwilligenrat als beratendes Gremium. Eine im
Gesetz enthaltene kleine Änderung des Gebührengesetzes bedeute sicher
eine beträchtliche Erleichterung für viele Organisationen.
Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G) meinte, es sei wichtig,
zwischen Freiwilligentätigkeit und Freiwilligendienst im engeren Sinn
zu unterscheiden. Das Gesetz regle nur letzteren. Die Grünen würden
die Schaffung eines gesetzlichen Rahmens für Sozialdienste
grundsätzlich begrüßen, es handle sich aber bei dem Gesetz in der
vorliegenden Form nur um einen ersten Schritt, viele Punkte seien
noch offen geblieben. So hätten sich die Grünen eine großzügigere
Regelung bei der Familienbeihilfe gewünscht, damit Jugendliche, die
Sozialdienste leisten und später ein Studium aufnehmen, nicht
benachteiligt werden.
Bundesminister Rudolf Hundstorfer ging in seiner Stellungnahme auf
Kritikpunkte der Opposition ein und meinte in Richtung von
Abgeordneter Haubner, das neue Gesetz schaffe sehr wohl Anreize für
die Leistung von Sozialdiensten. In seinem Ressort erwarte man sich
eine Verdoppelung der TeilnehmerInnen am Freiwilligen Sozialjahr. Für
den Freiwilligenfonds erarbeite man derzeit gemeinsam mit dem
Freiwilligenrat genaue Richtlinien. Der Kritik von Abgeordneter
Windbüchler-Souschill hielt Hundstorfer entgegen, da während des
Freiwilligen Sozialjahrs Familienbeihilfe bezogen werden könne, gebe
es kein Argument für eine über die derzeit bestehenden Regelungen
hinausgehende Bezugsverlängerung. Das vorliegende Gesetz werde sicher
in Zukunft noch viele Anpassungen erfahren. Er sei aber froh darüber,
dass mit ihm ein wichtiger erster Schritt gelungen sei, sagte der
Minister.
Die Regierungsvorlage wurde mit S-V-G-B-Mehrheit angenommen. Eine
Ausschussfeststellung, welche die "Arbeitsmarktneutralität" des
Freiwilligen Sozialjahrs präzisiert, wurde einstimmig, eine weitere
Ausschussfeststellung betreffend die Feststellung der Qualität von
Auslandsdienstplätzen bei Gedenk-, Friedens- bzw. Sozialdiensten,
wurde nur mit S-V-B-F-Mehrheit angenommen. Der Antrag des BZÖ fand
nur die Zustimmung von F und B und wurde daher abgelehnt.
Bundessozialamt ist künftig auch für Opferfürsorge zuständig
Eine weitere Regierungsvorlage, die dem Sozialausschuss vorlag,
betraf die die Übertragung der Kompetenzen im Bereich der
Opferfürsorge an das Bundessozialamt für Opferfürsorgeangelegenheiten
(1633 d.B.). Zuletzt bezogen noch rund 1.900 Personen in Österreich
eine Opferrente. G-Abgeordneter Öllinger brachte in diesem
Zusammenhang auch einen Antrag (663/A) seiner Fraktion ein, in dem
die Grünen sich für eine Verdoppelung der Beträge für Opfer des NS-
Terrors gemäß dem Opferfürsorgegesetz einsetzen.
Abgeordneter Norbert Hofer (F) war, ebenso wie die Abgeordneten
Ulrike Königsberger-Ludwig (S), Sigisbert Dolinschek (B) und August
Wöginger überzeugt, dass die neue gesetzliche Regelung eine zwar
kleine Verwaltungsreform darstelle, durch die aber wichtige
Synergieeffekte erzielt werden könnten. Abgeordneter Karl Öllinger
(G) signalisierte ebenfalls die Zustimmung seiner Fraktion, meinte
aber, eine Erhöhung der Beträge an Opfer der NS-Zeit wäre von
erheblicher symbolischer Bedeutung, da auf diese Weise einbekannt
werde, dass die jahrzehntelang geübte Praxis der Nichtvalorisierung
einen politischen wie moralischen Fehler dargestellt habe.
Die Regierungsvorlage wurde einstimmig verabschiedet. Der Antrag der
Grünen blieb in der Minderheit der Antragsteller und wurde abgelehnt.
S-V-Antrag auf Änderung des Urlaubs- und Landarbeitsgesetzes
Zuletzt behandelte der Sozialausschuss einen S-V-Antrag (1811/A) auf
Änderung des Urlaubs- und Landarbeitsgesetzes, der auf ein Urteil des
Europäischen Gerichtshofs vom 22. April 2010 zurückgeht. Dadurch soll
nun sichergestellt werden, dass Zeiten einer Karenz nach dem MSchG
oder dem VKG uneingeschränkt den Verjährungstermin für die
Inanspruchnahme des Jahresurlaubs hinausschieben, erworbene
Urlaubsansprüche also nicht aufgrund von Karenzzeiten verfallen
können. Bei allen Fraktionen herrschte Übereinstimmung darüber, dass
diese gesetzliche Anpassung notwendig sei, um dem EUGH-Urteil zu
entsprechen. Die Änderung wurde einstimmig angenommen.
Link:
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120202_OTS0224/freiwilliges-eng…