Entsetzen über Geschehnisse in Ebensee – Leserbrief von Thomas Böhler, Tips Braunau

20.05.2009

Projekt Beschreibung

Entsetzen über Geschehnisse in Ebensee  
Mit Entsetzen habe ich von den jüngsten Vorkommnissen im KZ-Gedenkstollen in meinem Heimatort Ebensee Notiz genommen. Ich möchte besonders den davon betroffenen Überlebenden und Hinterbliebenen ehemaliger Deportierter mein Mitgefühl ausdrücken, für die eine derartige Reise an die ehemaligen Stätten unvorstellbaren Leides eine wahrliche Pilgerreise darstellt. Nicht nur aus persönlicher Sicht bedaure ich die angesprochenen Geschehnisse sehr: Gerade in Ebensee bestehen mit der von ehemaligen Deportierten geschaffenen Städtepartnerschaft mit der italienischen Stadt Prato und dem Zeitgeschichte-Museum zwei europaweist anderkannte Projekte. Wie auch Dr. Wolfgang Quatember, Leiter des Zeitgeschichte-Museums und der Gedenkstätte Ebensee sowie Herward Loidl, Bürgermeister der Gemeinde, festhielten, wurde wohl vor allem deshalb Ebensee zur Zielscheibe des Angriffes. Es wäre falsch, im Zusammenhang mit diesem offensichtlich rechtsradikal motivierten Akt von einem so oft zitierten „Lausbubenstreich“ zu sprechen. Allein die Tatsache, dass die Jugendlichen maskiert und bewaffnet waren, sollte eine derartige Behauptung sofort vom Tisch wischen. Ganz offensichtlich waren sich die jugendlichen Täter ihrer Taten, nicht aber deren Tragweite und weitreichenden Konsequenzen bewusst. Im Rahmen der diesjährigen Gedenkfeier in Ebensee – also wenige Minuten nach der erfolgten Provokation im Stollen – hielt Italo Tibaldi, ein italienischer Überlebender der Lager von Mauthausen und Ebensee, eine viel beachtete Rede, in der er unter Bezug auf eines der spöttischen Nazi-Mottos meinte: „Wissen macht frei“. Meines Erachtens nach bezieht er sich damit besonders auf das Wissen um die (eigene) Geschichte, aber nicht nur: Wissen heißt auch Bewusstsein; das Bewusstsein um die eigene Verantwortung und Freiheit und um ihre jeweiligen Grenzen. Gleichzeitig beinhaltet dies aber auch den Wunsch nach einer umfangreichen Bildung, denn nur ein unmündiges, ja „dummes“ Volk ist leicht im Zaum zu halten und zu manipulieren. Und Wissen heißt eben auch, zwischen „richtig“ und „falsch“ unterscheiden zu können. In diesem Sinne sollen uns die aufs Schärfste zu verurteilenden Vorfälle eine Mahnung und gleichtzeitig auch ein Ansporn für den Kampf gegen jegliche Art des Rechtesextremismus sein, der auch und besonders auf politischer Ebene in keinster Weise Einzug halten darf. Thomas Böhler, Ebensee

Projekt Details

  • Datum 14. Juni 2016
  • Tags Pressearchiv 2009

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