Leserbrief: Wer darf (nicht) gedenken?, Vorarlberger Nachrichten

10.05.2000

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Vorarlberger Nachrichten 10. Mai 2000 Leserbriefe

Wer darf (nicht) gedenken?

Am vergangenen Sonntag hätte zum 53. Mal die Befreiung des KZ Mauthausen gefeiert und an die Opfer des Holocausts gedacht werden sollen. Leider war dies in meinen Augen nicht der Fall. Bestürzt musste ich feststellen, dass viel politisiert, aber nur sehr wenig an die Opfer des Holocausts gedacht wurde. Es ist für mich unverständlich, warum der Gedenkzug nach Vertretern und Überlebenden aus den Opferländern und dem Befreiungsland USA nicht beendet war, sondern mit zahllosen sozialistischen und kommunistischen Gruppierungen weiterging.

In den vielen Gesichtern der anderen, die “gedenken” wollten, konnte ich allerdings kein solches Unverständnis feststellen. Nur wenige Überlebende und Nachkommen der Opfer wurden mit zaghaftem Applaus begrüßt, bei den vielen Albanern oder Ukrainern wurde darauf beispielsweise komplett verzichtet. Dies änderte sich aber nach Beendigung des Gedenkens mit dem Auftreten unzähliger sozialistischer und kommunistischer Vereine wie der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Mauthausen: Demonstranten der verschiedensten Art. Ihre auf einem großen Transparent zu lesende Forderung nach Freiheit für den Terroristen Abdullah Öcalan fand breite Unterstützung bei denen, die eigentlich an die Opfer des Holocausts gedenken “wollten”. Es hat mich sehr bedrückt, ansehen zu müssen, wie rücksichtslos viele Menschen den Rahmen des Gedenkens als Bühne für ihre eigenen Parolen und politischen Ambitionen missbrauchten

Auf der Homepage der KZ-Gedenkstätte heißt es “… zu diesem Anlass kommen … all jene, die sich erinnern und nicht vergessen wollen … zusammen”. Haben etwa nur Kommunisten und Sozialisten ein Recht aufs Gedenken an die Opfer des Holocausts? Wieso wurde zum Beispiel die österreichische Bundesregierung von den Feierlichkeiten ausgeladen? Wieso durfte dort die bereits erwähnte PKK auftreten?

Opfer des KZ Mauthausen kamen aus allen Ländern Europas, ihre politischen Interessen propagierten heuer in Mauthausen aber nur “Linke” und “Kommunisten”. Aber wirklich gedacht haben – bis auf die Überlebenden – wohl die wenigsten.

Dennoch war diese Reise nach Mauthausen nicht umsonst. Das Kennenlernen dieses Missbrauchs der Holocaust-Opfer, des parteipolitischen Profitschlagens unter dem Vorwand des “Gedenkens” war eine wichtige Erfahrung für mich als Mensch und als zukünftiger österreichischer Gedenkdiener. Man kann auf verschiedenen Wegen gedenken, aber in Mauthausen habe ich einen Weg vorgefunden, der besser nicht beschritten werde sollte.

MICHAEL FEUERSTEIN VEREIN FÜR DIENSTE IM AUSLAND LANDESREFERAT VORARLBERG

Project Details

  • Date 2. July 2016
  • Tags Pressearchiv 2000

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