Der Internationale Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2016

Angehende Auslandsdiener gedenken

„Ich war heute um 10 Uhr beim „Spaziergang mit dem akustischen Wiener Online-Stadtplan zu Orten des jüdischen Wiens“, erzählt der Auslandsdienst-Kandidat Max Wintersperger aus Wien. Der 27. Januar ist einer der bedeutendsten Gedenktage im deutschsprachigen Raum. „Gerade am heutigen Tag sollte man sich mit den Verbrechen des Nationalsozialismus besonders intensiv auseinandersetzen und derer, die darunter gelitten haben und gestorben waren, gedenken“, sagt Wintersperger der 2016 einen Gedenkdienst in Paris an der Amicale Mauthausen leisten wird. Weltweit fanden dazu wichtige Gedenkveranstaltungen statt, aber auch in Österreich besuchten zukünftige Gedenkdiener im Rahmen ihrer Vorbereitung Veranstaltungen und Zeitzeugenlesungen.

20 Jahre Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Der 27. Januar wurde erstmals 1996 auf Initiative des damaligen deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog als Holocaust-Gedenktag thematisiert. “Ich wünsche mir, dass der 27. Januar zu einem Gedenktag des deutschen Volkes, zu einem wirklichen Tag des Gedenkens, ja des Nachdenkens wird.“, warb Herzog damals im Deutschen Bundestag. Warum genau dieses Datum? Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von den Nationalsozialisten und beendete den Terror im grausamsten nationalsozialistischen Vernichtungscamp. Seit 1996 ist der 27. Januar in Deutschland der bundesweite, gesetzlich verankerte „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Anlässlich des Gedenktages reiste das Landesreferat Burgenland in den Süden Polens, wo sie das auch ehemalige KZ Auschwitz besichtigen und im Anschluss am Auschwitz Jewish Centre von Gedenkdiener Paul Sautner eine Führung durch die Ausstellung erhielten. Auschwitz Jewish Center - Führung mit Paul Sautner Neun Jahre nachdem der Gedenktag in Deutschland eingeführt wurde, schlossen sich die Vereinten Nationen der Initiative der BRD an und deklarierten am 60. Jahrestag der Befreiung Ausschwitz’ den 27. Januar als „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Österreich hingegen führte 1997 einen eigenen Gedenktag ein, den „Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus“. Gewählt wurde das Datum 5. Mai, den Tag an dem Soldaten der US Army 1945 die Überlebenden des KZ Mauthausen befreiten. Man entschied sich bewusst für einen gesonderten Gedenktag „in Würdigung der spezifischen österreichischen Vergangenheit“ heißt es in der damaligen Parlamentserklärung.

Der 27. Januar in Österreich

Nichts desto trotz wird der Internationale Holocaust Gedenktag in Österreich natürlich ebenso vielseitig begangen. Michael Golth besuchte die traditionelle Gedenkveranstaltung von Jetzt Zeichen Setzen am Wiener Heldenplatz. Zu den Rednern zählte in diesem Jahr auch die Zeitzeugin Susanne Bock.

Ban Ki-moon: “Wir haben die Pflicht uns an die Vergangenheit zu erinnern”

In der Uno City wurde in der Rotunda  gedacht, organisiert von der Permanent Missions of Israel and Poland to the United Nations und des UN Information Service (UNIS). Fabian Neubauer, Johannes Pichler, Richard Schallerl und Max Schwaiger berichten von einer sehr feierlichen und ergreifenden Gedenkfeier. Nach der Begrüßung sang Timna Brauer (Tochter des Wiener Malers Arik Brauer) ein hebräisches Lied sowie das jiddische Lied “mir lebn eybig”, was bedeutet “wir leben weiter”. Anschließend trug Rabbi Mordechai Fiksler ein jüdisches Gebet vor, in welchem er um die Holocaust Opfer trauerte. Eine bewegende musikalische Einlage kam von der ungarischen Violinistin Orsolya Korcsolan, welche das letzte Stück (Sonata for Solo Violin) von Sandor Kuti spielte, bevor er im KZ ermordet wurde. Darüber hinaus hielten Isreals Botschafterin Talya Lador-Fresher und Polens Botschafter Adam Bugajski Ansprachen. UNO City - International Holocaust Remembrance Day UN Generalsekretär Ban Ki-moon sprach per Videoansprache zu allen Holocaustüberlebenden und Gedenkenden. Er besann sich in seiner Rede auf die Wurzeln der Vereinten Nationen. Die UN sei aus “den Schatten des Holocausts und den Grausamkeiten des Zweiten Weltkriegs heraus gegründet worden, mit dem Ziel den Glauben an die Würde und den Wert jedes Menschen zu bekräftigen und das Recht zu wahren in Gleichheit und ohne Diskriminierung leben zu können.” Auch auf die aktuelle Flüchtlingsproblematik nahm Ban Ki-moon in seiner Ansprache bezug. Auch heute noch gebe es Millionen Menschen weltweit, die Diskriminierungen und Angriffen ausgesetzt seien. “Wir haben die Pflicht uns an die Vergangenheit zu erinnern – und denen zu helfen, die uns jetzt brauchen.” Am Ende der Veranstaltung wurden die Gäste eingeladen sich eine kleine Posterausstellung in der Rotunda anzusehen, in welcher es um die Gründung der Vereinten Nationen in Verbindung mit dem Holocaust und dem 2. Weltkrieg ging.

Jedes Objekt hat eine Geschichte, auch wenn wir sie nicht kennen.

Das Jüdische Museum Wien versteht sich eigentlich nicht als Holocaust Memorial Center, aber der Holocaust gehört zur Jüdischen Geschichte, weswegen die Ausstellungen sich auch damit beschäftigen. Der Internationale Gedenktag wurde dort von den Gedenkdienst-Kandidaten Tobias Steinbichler, Tristan Strobl, Benedikt Schulz, Felix Bernfeld und David Weinand erlebt. Nach einleitenden Worten zum Hintergrund des Gedenktages wurde ein Jüdisches Gebet (auf Hebräisch und Deutsch) gesprochen und schließlich eine Gedenkminute abgehalten. Anschließend nahmen die fünf zukünftigen Gedenkdiener an der Führung durch die Ausstellung teil, die ihren Fokus auf die Geschichte bestimmter Gegenstände legt. Hier liegt zum Beispiel das Poesiealbum von Elfriede Balsam, das bis 1941 geführt wurde. 1941 wurde Elfriede Balsam in Auschwitz ermordet. Das Motto der Ausstellung ist: Jedes Objekt hat eine Geschichte, auch wenn wir sie nicht kennen. “Dass der Fokus weg von dem großen Ganzen auf einzelne Objekte, die einzelne Geschichten erzählen, gelegt wurde fand ich persönlich sehr gut”, meint Tobias Steinbichler, der ab Herbst 2016 am Dokumentationszentrum Obersalzberg seinen Gedenkdienst leisten wird.

“Alle waren sofort vom Auslandsdienst begeistert”

Im Vorfeld zum Holocaust Gedenktag veranstaltete die Stadt Klagenfurt bereits am 24. Januar eine Matinée im Klagenfurter Künstlerhaus. Den österreichischen Auslandsdienst vertraten dabei Maximilian Hopfgartner und Alexander Weiskopf. „Ein klares Mahnen gegen das Vergessen der unfassbaren Gräueltaten“, legte Bürgermeisterin Dr. Maria-Luise Matthiaschitz die Aufgabe der Veranstaltung dar. Mit dieser Matinée zum Holocaust-Gedenktag wolle die Stadt an das dunkelste Kapitel der Geschichte erinnern, an jene Zeit, als Millionen Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Herkunft, Religion oder Einstellung verfolgt, gefoltert und ermordet wurden. Hauptredner war in diesem Jahr Ari Rath (91), der sich sehr berührt zeigte. Rath war 13 Jahre alt, als sich Österreich an das nationalsozialistische Deutschland anschloss. In letzter Sekunde konnte er mit einem Kindertransport nach Palästina flüchten. Später arbeitete er als Journalist, Buchautor, Publizist und war lange Jahre Chefredakteur der Jerusalem Post. Doch auch mahnende Worte gab der Zeitzeuge den etwa 100 Besuchern mit auf den Weg. „Nur wenn wir an das Schlimmste erinnern, können wir eine Wiederholung hoffentlich verhindern. Bitte mahnen Sie immer weiter gegen das Vergessen.“, so der 91 Jährige.
Matinee anlŠsslich des Internationalen Holocoust-Gedanktages mit Dr.Peter Gstettner, Maximillian Hopfgartner, Bgm.Dr.Maria-Luise Mathiaschitz, Ari Rath, Alexander Weiskopf ©fritzpress

Matinee anlŠsslich des Internationalen Holocoust-Gedanktages mit
Dr.Peter Gstettner, Maximillian Hopfgartner, Bgm.Dr.Maria-Luise Mathiaschitz, Ari Rath, Alexander Weiskopf
©fritzpress

„Schon vor Beginn der Veranstaltung fielen wir auf und wurden mehrfach angesprochen und gefragt, warum wir dabei sind.“, erzählen die Gedenkdienst-Kandidaten, die schon allein aufgrund ihres jungen Alters einen Eindruck hinterließen: „Alle waren sofort vom Auslandsdienst begeistert und wollten mehr von unseren Einsatzstellen erfahren“. Im Anschluss wurden sie in einem auserwählten Kreis zum Mittagessen eingeladen, wo sie die Chance hatten sich mit Professor Gstettner auszutauschen, der das Projekt der Stolpersteine in Klagenfurt unter Bürgermeister Schneider (FPÖ) realisieren konnte. Auch Bürgermeisterin Mathiaschitz (SPÖ) und Mitorganisatorin Frau Mag. Janica zeigten sich interessiert am Österreichischen Auslandsdienst und luden Maximilian Hopfgartner und Alexander Weiskopf zu einem Rundgang durch Klagenfurt ein, bei dem die Stolpersteine und andere historische Stätten näher betrachtet werden können. „Die Veranstaltung an sich war sehr gut, das musikalische Duo aus Armenien und die Rede von Herrn Prof. Gstettner trugen ebenso dazu bei, wie die Rede von Herrn Rath, die vor allem aus eigenen Erfahrungen bestand.“, zieht Hopfgartner Bilanz. „Es war also ein voller Erfolg.“

Hitler’s Tischgespräche

Linz: Die Freunde Yad Vashems luden auch in diesem Jahr ins Alte Rathaus in Linz zur Gedenkstunde ein. Zu den Ehrengästen zählte in diesem Jahr auch die Präsidentin der Isrealitischen Kultusgemeinde Linz Charlotte Herman. Bürgermeister Klaus Luger war es wichtig zu betonen, dass viele hochrangige Nazis wie Ernst Kaltenbrunner oder Adolf Eichmann in Linz sozialisiert wurden. Er schnitt dieses Geschichtskapitel nicht grundlos an. Gerade die derzeitigen Entwicklungen in Europa, zeigten wie wichtig es sei gegen diese Tendenzen anzutreten, so Luger. Danach hielt Cornelius Obonya eine Lesung, begleitet von einem Linzer Klezmer Ensemble. Der erste Text war aus “Hitler’s Tischgespräche” von Henry Picker, in dem Hitler schwadroniert, wie wichtig eine nationalsozialistische Jugend ist. Im Kontrast dazu las Obonya aus einem Bericht über das KZ Ravensbrück, in dem Frauen und deren Kinder in einem unvorstellbaren Ausmaß misshandelt wurden. “Die Lesung war sehr berührend. Cornelius Obonya konnte die Atmosphäre mit seiner sonoren und klaren Stimme sehr gut vermitteln.”, so Gedenkdienst-Kandidat Andreas Guetz.
Cornelius Obonya mit dem Landesreferat Oberösterreich

Cornelius Obonya mit dem Landesreferat Oberösterreich

Er ließ es sich nicht nehmen einen persönlichen Kommentar zur aktuellen politischen Situation hinzuzufügen – ein flammendes Plädoyer gegen die kürzlich beschlossene Obergrenze für Flüchtlinge. Es folgte lauter Applaus im Publikum. Andreas Guetz, Matthias Grafenauer, Felix Strasser, Matthias Pum und Fabian Neubauer fanden im Anschluss auch noch das Gespräch mit Obonya und berichteten von ihrem zukünftigen Gedenkdienst. “Er war sehr begeistert von unserem Engagement”.

Dem Erinnern eine Zukunft geben

Und auch in Graz wurde der Österreichische Auslandsdienst von den Kandidaten Julian Prem, Lorenz Glettler, Richard Schallerl, Markus Wohlkönig und Paul Ramp bei der Veranstaltung „Dem Erinnern eine Zukunft geben“ im Grazer Landtag vertreten. Im Fokus dieser Veranstaltung standen die gesellschaftlichen Funktionen des Erinnerns im Sinne einer Versicherung gegen Faschismus und Totalitarismus zu thematisieren. Nach einer einleitenden Rede der Landtagspräsidentin Bettina Vollath hielten die Univ.-Dozentinnen Ljiljiana Radonic und Heidemarie Uhl Impulsvorträge über die Europäisierung des Erinnerns sowie die Zukunft der Gedenkarbeit. Im Anschluss daran diskutierten der Zeitzeuge Franz Trampusch, der Gedenkstättenaktivist Wolfgang Seereiter und die Historikerin Bettina Ramp über die Arbeit mit Jugendlichen bei Gedenkprojekten. Frau Ramp präsentierte außerdem eine Gedenkstätten-Landkarte der Steiermark. Mehr zu den Veranstaltungen an unseren Einsatzstellen anlässlich des Internationalen Holocaust Gedenktages erfahrt ihr in wenigen Tagen in einem zweiten Artikel. von Tobias Mayr