„Damit das Schweigen ein Ende hat“ – Gedenkveranstaltung am 27. Jänner in Salzburg

Nina Perendi, zukünftige Gedenkdienerin in Rom, berichtet:

Zum Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz – der sich diesen Jänner zum 72. Mal jährte – gedachte man auch in Salzburg der Menschen, die Opfer der Verbrechen des Nationalsozialismus geworden waren. Als zukünftige Gedenkdienerin und Salzburgerin war auch ich dabei, als sich, den winterlichen Temperaturen zum Trotz, am 27. Jänner um 17:00 etliche Leute einfanden, um an dem vom Personenkomitee Stolpersteine Salzburg, der Israelitischen Kultusgemeinde, dem KZ-Verband, den Sozialdemokratischen FreiheitskämpferInnen und dem Stadtarchiv Salzburg veranstalteten gemeinsamen Gedenken teilzunehmen. Am Hauptbahnhof beginnen auch immer die Demonstrationen. Heute beim Gedenken – immerhin eine Form des Protests: gegen das Vergessen – lief aber alles wesentlich ruhiger ab.

Der Historiker Gert Kerschbaumer begrüßte die Anwesenden beim, oder besser gesagt, unter dem antifaschistischen Mahnmal am Salzburger Hauptbahnhof: denn die Inschrift lesen kann man erst, wenn man das Denkmal „betritt“ und unter dem auf drei Säulen balancierenden Betondach steht. Für den im Jänner verstorbenen Walter Reschreiter, dessen Arbeit zu verdanken ist, dass es in Salzburg ein Euthanasie-Denkmal gibt, wurde zum Schluss eine Schweigeminute abgehalten.

Mit Marko Feingold war sogar ein Zeitzeuge dabei und ein für mich bekanntes Gesicht: er war 2015 Teil des Theaterstücks „Die letzten Zeugen“ gewesen, das im Landestheater gezeigt wurde und eine Möglichkeit für uns Schüler und Schülerinnen war, eindrucksvoll Erinnerungen aus dem Leben von Zeitzeugen zu hören.

Bevor es ganz dunkel wurde, übernahm Petra Nagenkögel, Schriftstllerin und Leiterin des Literaturvereins „prolit“, mit einer poetischen Rede zum Thema „Sprache“. Darin griff sie auch die heute übliche Verwendung besonderer Begrifflichkeiten in der Berichterstattung auf, die unweigerlich ein Bild einer Situation zeichnen, die vielleicht so nicht ganz zutreffend ist, man denke an gewisse „Ströme“ und „Wellen“.

Zum Abschluss entschied sie, einen Zeitzeugen sprechen zu lassen und brachte uns in den Genuss eines Gedichts von Theodor Kramer, einem jüdischen Dichter und Sozialisten, der 1939 nach England entkommen konnte.

THEODOR KRAMER

Oh, wer geht mit mir rasch noch ins Kino vor Nacht
Im Speiseraum muffelt’s, die Zunge verdorrt
beim Kaffee mir und hart ist der Platz;
der eine bezahlt und der andre geht fort
und ein jeder hier hat einen Schatz.
Oh, wer geht mit mir rasch noch ins Kino vor Nacht,
denn das Hocken allein hat mich traurig gemacht
und grün blinken im black-out die Lichter.

Die andern sind Flüchtlinge, ich aber bin
fremd in London dazu… es erstirbt
das Geräusch in den Gassen; es zuckt mir das Kinn,
da ganz nah es im Finstern aufzirpt.
Oh, wer geht mit mir in den Hyde Park zur Nacht,
denn es hat sich im Ziergrün ein Wind aufgemacht
und grün blinken im black-out die Lichter.

Bis aufs Bröckeln des Mörtels vom Sims ist es still
vor den Häusern; ich kann es verstehn,
daß kein Mädel mit mir was zu tun haben will,
doch allein muß noch heut ich vergehn.
Oh, wer geht mit mir in die Bar noch vor Nacht,
denn betrunken schon hat selbst das ale mich gemacht
und grün blinken im black-out die Lichter.

Ich hab kein Arbeit, kein Heim, es zerreibt
das Gedärm mir im Leib… was ich kann,
ist: Gedichte zu schreiben wie keiner sie schreibt;
in ganz London kein Hund prunzt mich an.
Oh, wer schlägt mir rasch ins Gesicht noch zur Nacht,
denn das Herz ist mir nur zum Zerspringen gemacht,
und grün blinken im black-out die Lichter.

(aus: www.planetlyrik.de)