Teil 2: Der internationale Holocaust Gedenktag an den Einsatzstellen in Rom, Straßburg, Riga und London
Am 27. Jänner fanden in ganz Österreich Veranstaltungen anlässlich des Internationalen Holocaust Gedenktages statt. An diesem Tag wird weltweit den Opfern des Nationalsozialistischen Terrors gedacht. An den Gedenkdienst-Einsatzstellen ist der 27. Jänner selbstverständlich einer der wichtigsten Tage im Jahr. Unsere Gedenkdiener in Rom, Straßburg, Riga und London erzählen von den Veranstaltungen und ihren Erfahrungen.
Rom: Anne Frank Ausstellung in der Casina dei Vallati
Die Casina dei Vallati ist ein altes, administratives Gebäude mitten im Jüdischen Ghetto Roms. Am 27. Januar wurde hier die Ausstellung „Anne Frank, una storia attuale“ (A story for today) eröffnet. Sie erzählt nicht nur die Geschichte der Familie Frank, sondern erklärt auch die Hintergründe des politischen Fanatismus, des Antisemitismus und des Holocausts. Als Orientierung galt dabei das Anne Frank Haus in Amsterdam.
Bei der Eröffnung waren der Botschafter der Niederlande Josephus Wijnands, der Botschafter Israels Naor Gilon, der Direktor des Anne Frank Hauses in Amsterdam Ronald Leopold und der Präsident der Fondazione Museo della Shoa Mario Venezia anwesend.
Zusammen mit dem niederländischen Botschafter wurde die Zeremonie mit einem Rundgang eröffnet. Darauf folgten Interviews mit dem Direktor des Anne Frank Hauses und die Rede eines Zeitzeugen aus den Niederlanden. Zum Abschluss wurde dem Präsidenten Mario Venezia und der Fondazione eine Erstaufnahme des Verstecks der Familie Frank in Amsterdam überreicht.
Mike Kopp, der seit Herbst an der Fondazione Museo della Shoa seinen Gedenkdienst leistet, schätzt die Ausstellung sehr. Sie liefert ganz neue Blickwinkel auf das Schicksal der Familie Frank und der europäischen Juden.
Straßburg: Der Europarat gedenkt den Opfern
Der Europarat gedachte in einer großen Zeremonie den Opfern am Vorplatz des Palais d’Europe. Thomas Schobesberger leistet dort gerade seinen Gedenkdienst an der Alliance of Cities and Regions for Roma Inclusion.
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Session of the Parliamentary Assembly, January 2016Session de l’Assemblée Parlementaire, janvier 2016Commemorative…
Posted by Council of Europe on Wednesday, January 27, 2016
Reden wurden unter anderem von Generalsekretät Thorbjørn Jagland, vom Botschafter Israels in den internationalen Institutionen Frankreichs Carmel Shama-Hacohen, vom Präsidenten des European Roma and Travellers Forum Gheorghe Raducanu und vom Präsidenten von Les «Oublié(e)s» de la Mémoire Association Civile Homosexuelle du Devoir de Mémoire Denis Erhart gehalten.
Besonders ausführlich gestaltete sich die Rede des Israelischen Botschafters. Anlass dafür war laut Thomas der stark zunehmende Antisemitismus, der in Frankreich in den letzten Jahren zu beobachten war.
Etwas kritisch sieht Thomas, dass hauptsächlich von den Opfern der Vernichtungslager gesprochen wird. „Das ist ein bisschen verfehlt, immerhin wurde ein Großteil der Opfer des Holocausts außerhalb der Lager bei Massenerschießungen durch die Wehrmacht ermordet“. Auch der Gedenkstein vor dem Europarat erinnert „nur“ an die Opfer der Vernichtungslager.
This year, the day is dedicated to the “Righteous among the Nations”
Die diesjährige Gedenkveranstaltung war den Gerechten unter den Völkern (Righteous among the Nations) gewidmet. Nach der Zeremonie wurde im Kinosaal des Europarats die Dokumentation über die „Gerechte unter den Völkern“ Irena Sendler gezeigt. „Gerechte/r unter den Völkern“ ist ein 1948 in Israel eingeführter Ehrentitel für nichtjüdische Einzelpersonen, die während der nationalsozialistischen Herrschaft ihr Leben einsetzten um Juden zu retten.
Irena Sendler erhielt 1965 den Ehrtentitel „Gerechte unter den Völkern“. Mit Ausnahme von Diplomaten die Flucht-Visa für Juden ausstellten, rettete Irena Sendler mehr Juden als jede/r andere während des Holocausts. Schon vor dem Krieg arbeitete Sendler in verschiedenen Abteilungen des Sozialamts Warschau. Nach der Besatzung Warschaus im September 1939 setzte sie ihre Arbeit fort und nutzte ihre Position, um Juden zu helfen. Zusammen mit ihren Kollegen vom Sozialamt fälschte sie hunderte Dokumente: Anstelle der Namen von Sozialhilfe erhaltenden Juden trugen sie polnische Namen ein. Auch als das Warschauer Ghetto 1940 zum Sperrgebiet erklärt wurde operierte Sendler weiter. Sie besorgte für sich und ihre Helferinnen Dienstausweise der Sanitätskolonne, zu deren Aufgabe die Bekämpfung ansteckender Krankheiten gehörte. Mit diesen Ausweisen schaffte sie es ca. 2500 jüdische Kinder aus dem Ghetto zu schmuggeln. Diese konnten sie in polnischen Familien, Klöstern und Waisenhäusern unterbringen.
1943 wurde Sendler von der Gestapo verhaftet und zum Tode verurteilt. Sie überlebte jedoch und konnte später die Zusammenführung der Familien bewirken.
Riga: Mit Musik gedenken
Im Rahmen des Internationalen Holocaust Gedenktages veranstaltete die österreichische Botschaft ein Konzert in der lettischen Musikakademie. Der Sänger des Abends war Shmuel Barzilai, Chefkantor der Jüdischen Gemeinde Wien. Unser Gedenkdiener in Riga, Tobias Wirthmilller, berichtet davon.
„Shmuel Barzilai eröffnete den Abend mit dem traditionellen Gebet El Male Rachamim und der Yddischen Liturgie Habet Mishamayim.“ El Male Rachamim (hebr.: Gott voller Erbarmen) wird bei Bestattungen, an Todestagen, bei Grabbesuchen und beim Gedenken an die Opfer des Holocausts gebetet. Habet Mishamayim handelt von Tod und Leid, aber auch von der Hoffnung durch den Glauben.
Sechs Kerzen – jede räpresentativ für eine Million jüdische Opfer – wurden vom österreichischen Botschafter Dr. Arad Benkö im Gedenken an den Holocaust angezündet.
„Völlig neu waren für mich die Werke von Abraham Ellstein, Shalom Secunda, Meyer Machtenberg und Leo Low, die sonst jeder im Saal zu kennen schien und oftmals fröhlich gesanglich begleitete. Shmuel Barzilai ist dabei nicht nur ein großartiger Sänger gewesen, sondern überzeugte auch mit seiner Authentizität und der Fähigkeit das Publikum zum Schmunzeln zu bringen.“ – erzählt Tobias.
London: Gigantische Gedenkveranstaltung in der Guildhall
Alexander Panhofer war bei der erormen Gedenkveranstaltung des Holocaust Memorial Day Trust in London dabei. Der diesjährige Holocaust Memorial Day fand unter dem Motto “Don’t stand by” statt und versammelte rund 500 hochrangige Persönlichkeiten in der glamourösen Guildhall in London. Die Guildhall war jahrhundertelang Londons Rathaus und ist auch heute noch das repräsentative und aministrative Zentrum der City of London. Das Motto „Steh nicht einfach daneben und tu nichts“ (Don’t stand by and let it go unnoticed) ist die Aufforderung an die Gäste, Vorurteile zu überwinden und sich entschieden für Menschen, denen Unrecht geschieht, einzusetzen.
Die gigantische Gedenkveranstaltung wurde vom Holocaust Memorial Day Trust, einer eigens für diesen Zweck ins Leben gerufenen Organisation, abgehalten. Die Organisatoren möchten dabei auch die aktuellen Probleme von Hate Speech und anderen Anfeindungen thematisieren. „Use your Twitter to give a voice to someone who’s experienced hate crime in this country – and help us create a world where none stands by.“, regten sie die Teilnehmer dazu an, Unrecht öffentlich zu machen.
Neben zahlreichen Politikern, Schauspielern und talentierten Musikern sprachen auch einige der über ein Tausend anwesenden Zeitzeugen. Die meisten von ihnen kannte Alexander Panhofer bereits persönlich von seiner Arbeitsstelle, dem Holocaust Survivors‘ Centre in London. „Die Zeremonie war sehr inspirierend“, berichtet Panhofer, „viele der Ansprachen waren sehr berührend“. Die BBC übertrug die Veranstaltung landesweit auf ihren Kanälen.
von Tobias Mayr