Zivildienst im Ausland, Fritz (Jugendbeilage der SN), 09.07.1999

09.07.1999

Projekt Beschreibung

Zivildienst im Ausland

Noch gibt es sie: die allgemeine Wehrpflicht. Als Alternative zum Dienst in der grünen Uniform wählen jedoch immer mehr junge Männer den Zivildienst. Den kann man auch im Ausland absolvieren.
Birgitta Schörghofer

Vor einem Jahr wurde in Salzburg der „Verein für Dienste im Ausland“ gegründet. Eine Organisation, die anstelle des Zivildienstes im eigenen Land Auslandsjobs als Gedenk-, Sozial oder Friedensdiener vermittelt. Ulf Wallmann (20) aus Mauterndorf war der erste Salzburger, der sich an den Verein wandte und gleich vergangenen Herbst in der Sozialabteilung der Jüdischen Gemeinde in Prag seinen Dienst antrat.

Seine Aufgabe besteht haupt-sächlich darin, Senioren der Gemeinde daheim in ihren Wohnungen zu betreuen. „Auf-räumen, Fenster putzen, spazieren gehen, bei Behörden-gängen helfen, oft einfach nur mit den Leuten reden, weil sie ja jemanden brauchen, da ihre Kinder meist im Ausland leben“, erzählt Ulf von seiner Arbeit, die aber auch Hilfe bei der Ver-gangenheitsbewältigung heißt. Denn die zu Betreuenden sind allesamt Zeugen des NS-Regimes und oftmals ehemalige Insassen von Konzentrations-lagern.

„Meistens sind sie bei diesem Thema sehr verschlossen, aber manchmal bricht’s eben heraus“, so Ulf, der sich dann manchmal auch mit Vorwürfen konfrontiert sieht, die ich einfach nicht widerlegen kann“. Meist antwortet er dann: „Darum mach‘ ich ja meinen Dienst hier, um die Zeit damals verstehen zu können.“ Häufiger als der Nationalsozialismus aber ist die Zeit des Kommunismus Diskus-sionsthema, „das ist den Leuten noch viel näher, da wird viel erzählt, wie sie diese Zeit überstanden, was sie danach gemacht haben“.

Sechs Monate dauert Ulfs Gedenk- und Sozialdienst noch. Seine Entscheidung, nach Prag zu gehen, wo er in einer WG wohnt, hat er noch keine Minute bereut. „Ich bin fest der Meinung, das Richtige getan zu haben – mal wegzugehen, auf eigenen Füßen zu stehen, was man beim Zivildienst in Österreich so nicht machen kann“, erklärt der Lungauer, der außerdem die Erfahrung gemacht hat, „wie man sich als Ausländer fühlt“. Aber in einem Sprachkurs Tschechisch zu lernen, diese Chance hat sich Ulf nicht nehmen lassen.

Projekt Details

  • Datum 25. September 2016
  • Tags Pressearchiv 1999

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

nach oben