Projekt Beschreibung
Zeichen für „anderes Österreich“
Christian Klösch leistete Zivildienst in New York: Er sprach mit Menschen, die von den Nazis vertrieben wurden.
VON MARTIN LINK
Am Anfang stand ein Zeitungsartikel, erinnert sich der Kärntner Christian Klösch – noch in der Zeit, da sein Geschichtestudium an der Grazer Uni in der Zielgeraden war – an eine randspaltige Notiz über den Verein Gedenkdienst, seine Anliegen und seine Wirkungsstätten. Kurze Zeit später stand für Klösch fest: „Ich werde meinen Zivildienst als Gedenkdienst absolvieren.“ Seit wenigen Tagen ist der Historiker aus New York zurück, wo er am Leo Baeck Institut seinen ganz persönlichen Beitrag zur „Austrian Heritage Collection“ geleistet hat.
Diese Sammlung soll die Biographien von jüdischen Emigranten aufzeichnen, Dokumente archivieren und letztlich auch ein Symbol sein. „Keine Wiedergutmachung“, sagt Klösch, „sondern ein Zeichen für ein anderes Österreich, ein Zeichen für junge Menschen, die ihren Beitrag zu einem positiveren Bild und aufrichtigeren Umgang mit der Nazi-Vergangenheit leisten wollen.“
4000 Exil-Österreicher leben gegenwärtig meist hochbetagt in der Metropole an der Ostküste. Vertrieben von den Nationalsozialisten zwischen 1938 und 1940, überwintert in den Kriegsjahren bis 1945 und danach vom offiziellen Österreich nie zur Rückkehr in die Heimat eingeladen. Klösch hat in den oft stundenlangen Interviews mit den New Yorkern vor allem den Eindruck gewonnen, „daß gerade diese abweisende Haltung nach 1945 die tiefsten Narben hinterlassen haben, weil diese Emigranten Herzensösterreicher geblieben sind, verbunden in einer Haßliebe zu Österreich.“
Nach seiner Ankunft in New York am 1. April 1996 hat Klöschs Gedenkdienst mit der Beschaffung des Adressenmaterials, der Ausarbeitung von Fragebögen und Richtlinien zur Interviewführung begonnen. 150 Emigranten wurden angeschrieben; jene, die darauf geantwortet haben, erhielten einen ausführlichen Fragebogen und letztlich die Bitte, für ein Interview zur Verfügung zu stehen. „Manche haben aber abgelehnt und gesagt, sie könnten gar nicht mehr schlafen, die Erinnerung sei wachgerufen.“
Andere wiederum haben oft stundenlang – für ihre Kinder und Enkel oder für das Archiv selbst – ihre Erinnerungen geöffnet: Erinnerungen an die brodelnde Kulturwerkstatt im Wien der 20er Jahre, an den naiven Glauben, die Nazis würden weniger heiß essen, als sie kochten, an die Vertreibung, an Straßenwaschen und beschmierte Geschäfte, an Entrechtung und letztlich an die Emigration.
30.000 Juden gelang bis 1940 dieser Weg aus Österreich. Gedenkdiener Klösch: „Die Frauen haben das Leben in der Emigration geordnet“ – vor allem weil die Männer in New York nicht haben arbeiten dürfen, wenn sie etwa Rechtsanwälte oder Ärzte gewesen sind. „Somit war das Leben in der Emigration nicht nur von Entwurzelung, sondern auch oft von materieller Not geprägt“, hat Klösch erfahren, dem für seinen 14-Monate-Aufenthalt in New York 120.000 Schilling zur Verfügung standen, was nicht gereicht hat. Auch eigenes Geld hat er investiert, um die intensivste Zeit seines bisherigen Lebens mit einer erfüllenden Tätigkeit zu verbringen.
Offen ist aber für den Wolfsberger, der in Wien lebt, die berufliche Zukunft. Zwar wird er in Schulen von seinem Gedenkdienst erzählen und mit der Aufgabe weiterhin verbunden bleiben, doch nach 14 Monaten USA ist die Jobsuche nicht gerade einfach. Womit er zwar die Erfahrungen anderer Zivildiener teilt, aber andererseits zufrieden feststellen kann: „Mein Zivildienst war eine wirklich sinnvolle Sache.“