Projekt Beschreibung
Die politische Bühne in der „Salzburger Woche“
Zeichen der Verantwortung
ST. GEORGEN. Die Auseinandersetzung mit unserer jüngsten Geschichte ist heute notwendiger denn je. Der aus St. Georgen stammende Politikwissenschaftler Dr. Andreas Maislinger ist Obmann des seit April dieses Jahres bestehenden Vereins „Gedenkdienst“. Dieser ermöglicht jungen Österreichern, anstelle des Militär- oder Zivildienstes einen zwölfmonatigen „Gedenkdienst“ in einer Stätte zu leisten, die den Holocaust verewigt. Die „Flachgauer Nachrichten“ sprachen mit Dr. Maislinger über dieses Projekt. Vier Gedenkstätten bietet der Verein „Gedenkdienst“, der keine ideologische Ausrichtung hat, derzeit an: Auschwitz, Theresienstadt, Amsterdam und die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Maislinger sieht den Sinn des Projekts auf mehreren Ebenen: Es gehe um eine nüchterne, aber intensive Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Die „Gedenkdiener“ sollten bei der Arbeit in diesen Stätten eine echte Hilfe bei den Forschungsarbeiten oder bei Antisemitismusprojekten sein. Deshalb wird die Auswahl der Interessenten (Maislinger: „weit über einhundert“) besonders sorgfältig vorgenommen. Und die Auswahlkriterien orientieren sich dabei nicht nur an fachlicher Eignung (etwa Computer-Kenntnisse), sondern auch am Verhalten und Auftreten. Maislinger: Gedenkdienst verlange selbstbewusstes, verantwortungsvolles, kritisches, aber zurückhaltendes Auftreten. „Der Einsatz von jungen Zivil-Ersatzdienern in Holocaust-Gedenkstätten wird“, so Maislinger, „zahlenmäßig nie besonders ins Gewicht fallen. Aber es wird ein Zeichen sein, das auch international gesehen wird, wenn jährlich drei bis sechs Österreicher in diesen Einrichtungen mitarbeiten.“ Geht man nach den bisherigen Vormerkungen, so ist das Interesse für die Mitarbeit in Amsterdam, Jerusalem und Auschwitz etwa gleich groß, für Theresienstadt jedoch deutlich geringer. Der erste Zivildiener wird am 1. September seine Mitarbeit in Auschwitz beginnen und zwölf Monate dort arbeiten. Es handelt sich dabei um den Tiroler Lehrer Mag. Georg Mayer. Die Kosten pro Gedenkdiener-Einsatz liegen etwa bei 100.000 S. Dieser Betrag soll aus Zuschüssen von Bund und Ländern aufgebracht werden. Andreas Maislinger sieht diese Aktion, die man unter das Motto „Ein Zeichen der Verantwortung“ stellen könnte, noch ausbaufähig. Vor allem, was die Zusammenarbeit mit der Lehrerschaft betrifft, jener Gruppe, die ja gerade in diesem Bereich ein wichtiger Multiplikator ist. Nach der Matura hätte der Politologe nach Wunsch der Eltern eigentlich Rechtsanwalt oder Richter werden sollen. Sein Weg ging jedoch in eine andere Richtung. Bei Auslandsaufenthalten an den Universitäten in Oslo, Warschau, Ost und Westberlin knüpfte er Kontakte zu Friedensdurstigen. Als er schließlich in Berlin auf die „Aktion Sühnezeichen“ stieß, brachte diese den wichtigsten Einschnitt in seinem Leben. Ein Bußaufenthalt in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau ließ ihn zu folgendem Schluss kommen: „Wehrdienst verweigern allein genügt nicht mehr.“ Rund 15 Jahre arbeitete Dr. Maislinger an der Verwirklichung seines Projektes „Gedenkdienst“. Daneben ist der gebürtige Flachgauer aber auch noch in anderen Bereichen der Aufarbeitung der Vergangenheit tätig. So verfasste er kürzlich unter dem Titel „Der Putsch“ ein Buch, das sich mit den Ereignissen 1934 in Lamprechtshausen beschäftigt. Den sich über mehrere Jahre hinziehenden Aufwand an Recherchen rechtfertigt Maislinger mit der ihm eigenen Philosophie. „Ich will das halt einfach machen.“ Weiters ist der derzeit in Innsbruck lebende Maislinger Leiter der „Braunauer Zeitgeschichtetage“, die heuer unter dem Titel „Unerwünschtes Erbe“ stehen und von 25. bis 27. September stattfinden.
Interview: Norbert Blaichinger
Projekt Details
- Datum 14. August 2016
- Tags Pressearchiv 1992