Wenn einer in die Fremde geht…[Patrick Marko], mUnition, Ausgabe 3/2004

01.03.2004

Projekt Beschreibung

Wenn einer in die Fremde geht…

Seit mittlerweile 10 Jahren leisten viele junge Österreicher ihren Zivildienst als Sozial-, Friedens- und Gedenkdiener in der ganzen Welt. Sie leisten wichtige Arbeit, tragen zum positiven Image Österreichs bei und haben noch dazu einen interessanten Job. Auf jeden jungen Österreicher kommt nach der Schulzeit einmal die Zeit zu, in der er seinen „Dienst am Vaterland“ zu leisten hat. Trotz verschiedener Versuche der Verantwortlichen, den klassischen Dienst an der Waffe wieder populärer zu machen, entscheiden sich nach wie vor viele junge Männer für einen Zivildienst, sei es weil nostalgische Geschichten von Vätern und Freunden aus der guten alten Zeit beim Heer ihnen kalte Schauer über den Rücken jagen, sei es aus anderen persönlichen Gründen. Auch der Zivildienst ist meist keine Zeit, auf die die Vorfreude groß ist. Die Arbeiten sind hart und unbeliebt, die finanzielle Versorgung ist katastrophal. Aber es gibt auch Möglichkeiten, die oft wenig bekannt sind, die die Zeit des Zivildienstes zu einem einmaligen Erlebnis machen, von dem ein Zivildiener sein Leben lang zehren kann. Alternative Auslandsdienst. Seit 1992 gibt es für junge Österreicher die Möglichkeit, den Zivildienst durch einen 14 Monate dauernden Ersatzdienst im Ausland (Auslandsdienst) zu leisten, und somit einerseits einen Teil zum Ansehen Österreichs im Ausland beizutragen, aber vor allem natürlich auch selbst einzigartige Erfahrungen zu sammeln und Kenntnisse zu gewinnen. Die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten für Auslands-Zivildiener reichen von Sozialhilfe-Projekten über den „Friedensdienst“ bis zum „Gedenkdienst“ und sind auf der ganzen Welt zu finden, von Kanada bis Israel, von Sibirien bis Peru. Dies ist seit 1998 über den Trägerverein „Verein für Dienste im Ausland nach §12b ZDG“ möglich, welcher seit seiner Gründung Kontakt zu zahlreichen Partnerorganisationen im Ausland herstellen konnte. Zwei Beispiele. Seit Oktober 2000 besteht zum Beispiel die Möglichkeit, den Zivilersatzdienst (Auslandsdienst) über den Verein für Dienste im Ausland nach §12b ZDG “ auch in den SOS Kinderdörfern in Pakistan zu leisten. Hier besteht eine Nachfrage nach gut ausgebildeten freiwilligen Mitarbeitern. Gesucht werden vor allem Computerlehrer, Leute mit fachlicher Ausbildung (Innenausbau, Landwirtschaft, Elektro-, Bautechnik,…) und Leute mit pädagogischer Ausbildung (Sozialakademie, Pädagogische Akademie, etc.). Sozialdiener helfen dort bei der Betreuung der Kinder und ihrer Ausbildung und helfen bei der Organisation des Kinderdorfes. Damit leisten sie einen Beitrag zur Zukunft dieser Kinder und sammeln selbst Erfahrungen, die sich nicht zuletzt in einem Lebenslauf ausgesprochen gut machen. Während Sozialdiener meist die Möglichkeit zur Arbeit mit Menschen bewegt und der Gendanke, die Zukunft zu gestalten, motiviert Gedenkdiener eher die Aussicht, mit ihrer Arbeit etwas für das Gedenken an die Vergangenheit, den Holocaust, tun zu können. Sie arbeiten in Archiven, Bibliotheken und Zentren für Holocaust-Überlebende, bearbeiten Dokumente aus der Zeit des zweiten Weltkriegs, organisieren Vorträge und Ausstellungen, interviewen Zeitzeugen und sorgen so dafür, daß das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus erhalten bleibt. Kazimierz in Krakau ist eine dieser Stellen. Die dortige jüdische Gemeinde war vor dem zweiten Weltkrieg eine der florierendsten und lebhaftesten in Europa. Damals lebten in Krakau über 60.000 Juden, heute zählt die jüdische Gemeinde weniger als 200 Mitglieder. Als Gedenkdiener arbeitet man für das Zentrum für jüdische Kultur als Fremdenführer durch das ehem. nationalsozialistische Ghetto und durch das daran anschliessende Gelände des ehem. Konzentrationslager Plaszow, welches die Weltöffentlichkeit wohl am ehesten durch den berühmten Film Schindlers Liste kennt. Darüber hinaus sind verschiedene Veranstaltungen, wie Vorlesungen, Filmvorführungen oder Gedenkfeiern zu organisieren. Der interessanteste Teil des Gedenkdienstes hier ist aber wahrscheinlich die enge Zusammenarbeit mit den noch lebenden Holocaust-Zeitzeugen Diese Arbeit ermöglicht eine intensive Auseinandersetzung mit dieser Thematik und macht das Begreifen dieser schrecklichen Verbrechen leichter, wenn nicht überhaupt erst möglich.  

Schwerpunkt Verstehen. Zwar sind die Gründe, wieso junge Leute ihren Zivildienst im Ausland leisten wollen unterschiedlich, jedoch können bei allen einige Gemeinsamkeiten festgestellt werden: Nach dem Abschluss der Ausbildung und vor dem Einstieg in das Berufsleben wollen sie die Möglichkeiten, die ihnen ihre berufliche Ausbildung, sowie ihre momentane Flexibilität bzw. Unabhängigkeit bieten, mit ihrem Interesse an sozialen Fragen und fremden Kulturen kombinieren.

Ein Verstehen von fremden Kulturen wird – in Zeiten wie diesen – sicherlich immer wichtiger. Ein Auslandsdienst kann somit als Teil eines Lernprozesses verstanden werden, von dem nicht nur der Auslandsdiener, sondern auch das Umfeld hier Zuhause nur profitieren kann.

Patrick Marko

Projekt Details

  • Datum 17. September 2016
  • Tags Pressearchiv 2004

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