Projekt Beschreibung
Ultimo – Vierteljährliche Zeitung der „Akzente Salzburg“ Nr. 2/2001
Kinder der Straße
Vom 2.10. 2000 bis 1.12. 2001 leistet der Salzburger Philipp Reininger seinen Sozialdienst in Buenos Aires, um dort den Straßenkindern auf vielfältige Art und Weise, Erleichterung und vielleicht auch einen Ausweg aus ihren derzeit so tristen Lebensumständen anbieten zu können. Im folgenden Artikel erläutert der 24-jährige Lungauer seine Arbeitsumstände in Buenos Aires/ Argentinien und zeigt dabei auf, wie viel Energie für dieses Unterfangen nötig ist, aber auch, welch großartiges Gefühl sich einstellt – nämlich die Gewissheit denjenigen zu helfen, die Unterstützung wirklich nötig haben.
Das Centro de la Atencion Integral a la Ninez y Adolescencia wurde geschaffen um den über 1000 ebendort registrierten Straßenkindern in erster Linie eine Stätte zu bieten in der sie Kinder sein können. Hier gibt es also einen Ort an dem sie nicht von der Polizei aufgegriffen werden, hier bekommen sie warme Mahlzeiten und Kleidung, es wird eine Begleitung zum Arzt oder zur Polizei organisiert (oft sind die Kinder straffällig); hier wird in den verschiedenen Workshops produktiv gearbeitet und hier wird mit ihnen gespielt. Straßenkinder haben in ihrem Leben von den verschiedensten Bezugspersonen wenig gelernt, was den normalen Umgang mit Mitmenschen betrifft; es gibt auch meist niemanden, der ihnen in irgendeiner Weise was verbietet oder vorschreibt. Aus dieser Problematik wird ersichtlich warum die Kinder verwahrlost, außen und innen verletzt sind. Es wird daher versucht den Kindern eine Umgangsform vorzuleben, die veranschaulicht wie man eigentlich miteinander umgehen könnte und jeden Tag muss ihnen in den verschiedensten Situationen ein „Nein„ vermittelt werden, dass sie auch annehmen können. Täglich kommen ungefähr 20-50 Kinder in die Tagesbetreuungsstätte in die Straße Paseo Colon/Buenos Aires. Es kommen schwangere Mütter, Kinder aller Altersklassen und Jugendliche (Altersobergrenze ist 18 Jahre). Diejenigen unter den Kindern, die die Schule besuchen, werden von den Betreuern ermuntert zu lernen und abgeprüft, Unklares wird erläutert. Leider ist das Konzentrations- -und Merkvermögen durch den jahrelangen Drogenkonsum sehr eingeschränkt. Vor allem das Klebstoffschnüffeln richtet schwere Gehirnschäden an, die man bei einigen feststellen muss. Im CAINA (das ist die Abkürzung für das Tagesheim) sind immer wieder Ärzte aus den Krankenhäusern der Umgebung zu Gast, die Impfaktionen vornehmen, vor dem Klebstoffschnüffeln warnen oder über die Gefahren von den verschiedensten Infektionskrankheiten referieren. Zu einer ganzheitlichen, umfassenden Betreuung gehört auch Hintergrundwissen über die Geschichten der Kinder. Im CAINA wird daher täglich von 14.00 – 15.00 Uhr eine sogenannte „reunion„ abgehalten, das ist ein Treffen aller Beschäftigten des Tagesheims. Die wichtigsten Ereignisse des Tages werden noch einmal besprochen. Die Ergebnisse der Gespräche mit den Eltern der Kinder werden mitgeteilt und Arbeitsaufträge erteilt: Die Chefin bestimmt, wer für die Kinder neue Dokumente beschafft, wer mit ihnen zum Arzt geht, welche Kinder neue Schuhe bekommen; manchmal wird auch beschlossen ein Geburtstagsgeschenk für eines der Kinder zu kaufen. Auch etwaige Reibereien innerhalb des Teams werden in dieser Zeit beiseite geschafft. Jedes Kind, dass ins CAINA kommt muss sich auch an verschiedenen Workshops beteiligen. Damit soll verhindert werden, dass das CAINA nur als „Schlafplatz„ dient. Die Kinder sind ja auch in der Nacht ohne Kontrolle, streunen umher, nehmen verschiedenste Drogen und sind natürlich am nächsten Tag müde. In unserem Tagesheim werden jedoch nur nüchterne Kinder betreut, schlafen ist nicht erlaubt; auch das Rauchen ist natürlich verboten, obwohl alle Kinder, auch die 6-7 Jährigen bereits täglich Tabak konsumieren. Im Musikworkshop können die Kinder drauflos trommeln und sich richtig austoben. In der Zirkusstunde erlernen die Kinder das Jonglieren mit Bällen, Stelzengehen und einige andere Kunststücke. Der Keramik- und Schmuckworkshop fordert die kreative Seite der Kinder; viele haben Talent, was sich in den fertigen Stücken auch wiederspiegelt. An einem Tag der Woche wird gemeinsam ein Film angesehen und im Anschluss darüber diskutiert. Im Journalismusworkshop wird an der Straßenkinderzeitung „Chicos de la Calle„ und den dazugehörigen Illustrationen gearbeitet. Alle Workshops werden von den Betreuern beaufsichtigt. In den Zeiten zwischen den Workshops und beispielsweise dem Essen wird Fußball, Tischfussball, Schach oder Mühle gespielt.
Meine Aufgabenbereiche als Betreuer umfassen: Die Weitergabe meines Wissens und das Lernen mit den Straßenkindern. Einfache mathematische Operationen sowie Grundbegriffe des Englischen werden vermittelt. Ich betreue die Kinder während ihres Aufenthaltes im CAINA und achte darauf, dass die Kinder nicht gewalttätig werden. Wenn gewisse Dokumente gebraucht werden oder ein Arztbesuch nötig ist, begleite ich die Kinder. Ich bin bei allen Workshops anwesend und beteiligt. Einige der Kleineren brauchen des öfteren körperliche Nähe, sodass ich sie des öfteren „drücke„ bzw. umarme.
Ich denke, die 14 Monate, die ich hier in Argentinien verbringe, werden mein ganzes zukünftiges Leben beeinflussen und ich bin mir sicher, dass ich wertvolle Erfahrungen mache, die mir in Österreich sicherlich verwehrt geblieben wären.
Sozialdienste, wie sie hier Philipp Reininger beschreibt, werden neben der Möglichkeit Gedenkdienste bzw. Friedensdienste zu leisten, vom „Verein für Dienste im Ausland„ (www.auslandsdienst.at) als Trägerorganisation angeboten und werden als Alternative zum normalen Zivildienst und zur Militärdienst seit 1998 organisiert.
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Projekt Details
- Datum 5. Juli 2016
- Tags Pressearchiv 2001