Immer weniger Förderung für Gedenkdienst, Wiener Zeitung

26.01.2017

Projekt Beschreibung

Holocaust-Gedenktag

Immer weniger Förderung für Gedenkdienst

Von Werner Reisinger
  • Internationaler Holocaust-Gedenktag: Der „Verein Gedenkdienst“ kritisiert gekürzte Fördergelder – das Sozialministerium zeigt sich gesprächsbereit.

Wien. Gleich in seiner ersten Rede als frisch vereidigter Bundespräsident nahm Alexander Van der Bellen am Donnerstag Bezug auf Österreichs Verantwortung für die Verbrechen der Zeit des Nationalsozialismus – und das durchaus in unterschiedlicher Weise, als dies manche seiner Vorgänger zu tun pflegten.

Van der Bellen betonte nicht nur, dass Österreicher in der NS-Zeit sowohl Täter als auch Opfer waren, sondern unterstrich das unrühmliche Verhalten Österreichs in der direkten Nachkriegszeit, als es darum ging, Vertriebene und Überlebende des Holocaust zu einer Rückkehr in die alte Heimat zu bewegen. „Wenige der Geflüchteten wurden eingeladen, wieder zurückzukommen. Und viele wurden, wenn sie doch zurückkamen, in Österreich nicht willkommen geheißen. Das halte ich für die dunkelste Seite unserer österreichischen Geschichte“, so der Bundespräsident. „Niemals vergessen“, das forderten anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktags am Freitag auch zahlreiche Politiker. „Nur, wenn wir erinnern, leisten wir unseren Beitrag, vor keimendem Hass und Gewalt zu warnen und diese zu unterbinden“, sagte etwa SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder.

Genau dieser kontinuierlichen Erinnerungsarbeit, verbunden mit einem politischen (Bildungs-)Auftrag gegen Rassismus und Fremdenhass, widmet sich der „Verein Gedenkdienst“. Seit 1992 entsendet der Verein Freiwillige – anstatt des Zivildiensts – für zwölf Monate in Gedenkstätten, Bildungseinrichtungen und Museen in aktuell 17 Destinationen rund um den Globus. Das Freiwilligengesetz von 2012 öffnete den Gedenkdienst für Frauen und nicht-wehrpflichtige Männer, mit einer 2015 beschlossenen Novelle wurde der Gedenkdienst vom Innenministerium in die Kompetenz des Sozialministeriums (BMASK) unterstellt. Damit einhergehend wurde die gesamte jährliche Förderungssumme für Auslandsfreiwilligendienste in der Höhe von 720.000 Euro gesetzlich festgeschrieben. Seitdem allerdings, das kritisiert der Verein, sinkt die jährlich verfügbare Fördersumme pro Gedenkdienstleistenden kontinuierlich.

Kriterium „soziale Bedürftigkeit“ Bis 2010 habe der Verein pro Kopf und Jahr 10.000 an Förderungen erhalten, ab 2015 nur noch 9000 Euro, sagt Jutta Fuchshuber, stellvertretende Obfrau des Vereins, zur „Wiener Zeitung“. Seit Jahresbeginn würden nun geänderte Förderkriterien gelten, die sich an Einkommensgrenzen orientieren. „Zieht man von der Brutto-Fördersumme die Versicherungsbeiträge ab, so bleiben einem Gedenkdienstleistenden ab heuer nur noch rund 525 Euro monatlich zum Leben“, sagt Fuchshuber. Zu wenig, denn von dem Geld müssen sowohl der Lebensunterhalt am Einsatzort als auch Reisekosten und etwaige Zusatzversicherungen bezahlt werden. „Unsere Freiwilligen müssen mit dieser Summe einen Gedenkdienst für die Republik leisten, die sogar weniger als die Hälfte der Armutsgefährdungsschwelle in Österreich ausmacht“, so Fuchshuber.

Nicht berücksichtigt würden dabei die zum Teil erheblichen Unterschiede der Lebenskosten im Ausland. So würden beispielsweise die hohen Mieten in Washington monatlich den gesamten Förderungsbetrag auffressen – mit der Konsequenz, dass Gedenkdienstleistende immer stärker auf private Ersparnisse zurückgreifen müssten oder auf familiäre Unterstützung angewiesen seien. Die aktuelle Gesetzeslage sieht zudem Kriterien der sozialen Bedürftigkeit als Bemessungsgrundlage für die Fördervergabe vor – daran ist auch das BMASK gebunden. Fuchshuber: „Die immer dünner werdenden Förderungen führen aber dazu, dass vor allem Leute aus sozial bessergestellten Familien Gedenkdienst leisten wollen.“ Abmildernd komme jedoch hinzu, dass Gedenkdiener unter 24 Jahren auch im Ausland Familienbeihilfe beziehen könnten, sagt Fuchshuber.

Im BMASK ist man bemüht, eine Lösung herbeizuführen, und betont das ausgezeichnete Gesprächsklima mit dem Trägerverein. In den Förderungskriterien seien aber 90 Prozent der Haushalte erfasst. Zudem wolle man förderungswürdige Umstände wie etwa Pflegefälle auf dem Kulanzweg berücksichtigen.

Projekt Details

  • Datum 26. Januar 2017
  • Tags Pressearchiv 2017
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