Projekt Beschreibung
Hitler-Geburtshaus bekommt „neutrale Nutzung“
THOMAS NEUHOLD
1. Dezember 2016
Nach dem Enteignungsbeschluss will das Innenministerium die Debatte über die Verwendung des Hauses in Braunau bald beendet sehen Salzburg – Die Frage, wie das Geburtshaus von Adolf Hitler in Braunau in Zukunft genutzt wird, dürfte endgültig entschieden sein: Es werde keine Nutzung im „historischen Kontext“ geben, stellte Hermann Feiner, Sektionschef im Innenministerium und Vorsitzender der Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers, am Mittwochabend bei einer von der Studienvertretung Geschichte an der Uni Salzburg veranstalteten Podiumsdiskussion klar. Eine museale Nutzung oder die Verwendung als Forschungs- und Bildungseinrichtung ist damit vom Tisch. Basis für die neue Verwendung des derzeit leerstehenden Hauses ist ein eigens geschaffenes Gesetz zur Enteignung der Liegenschaft. Dieses wurde am Mittwoch im Innenausschuss des Nationalrats – gegen die Stimmen von FPÖ und Team Stronach – verabschiedet. Der formelle Beschluss im Nationalratsplenum soll noch heuer über die Bühne gehen, berichtete der grüne Abgeordnete Harald Walser am Mittwochabend. Auch er hatte für die Enteignung und damit für die Umgestaltung gestimmt: „Weg mit allen Markierungen“, man dürfe keinen „Altar für Rechtsextreme“ stehen lassen.
Entschädigung
Bis zu der auch von der im Innenministerium eingerichteten Expertenkomission empfohlenen „neutralen Nutzung“ des Hauses wird es wohl noch ein paar Jahre dauern. Feiner erwartet rechtliche Auseinandersetzungen mit der Eigentümerin – sowohl über die Enteignung selbst als auch über die Entschädigungssumme. Wie hoch diese ausfallen wird beziehungsweise wie hoch das von der Eigentümerin abgelehnte Kaufanbot der Republik war, wollte Feiner auch auf mehrmalige Nachfrage von Diskussionsleiter Markus Rohrhofer (DER STANDARD) nicht preisgeben. Im Anschluss daran will die Republik einen Architektenwettbewerb ausschreiben. Das Haus solle so umgestaltet werden, dass kein Bezug zum historischen Zusammenhang herstellbar bleibe, sagt Feiner. Verantwortlich dafür werde dann die Bundesimmobiliengesellschaft sein. Offen bleibt bis dato, welche Vorgaben den teilnehmenden Architekten gemacht werden.
Hitler-Tourismus
Die unklare Nutzungsfrage – bisher ist ja nur formuliert, welche Verwendung nicht kommen soll – blieb bei der Podiumsdiskussion am Mittwochabend nur einer der Kritikpunkte. Auch mit einem neu gestalteten Haus werde Braunau das „Branding“ Hitler nicht loswerden und ein Anziehungspunkt für Rechtsextreme bleiben, befürchtet der Innsbrucker Politikwissenschafter Andreas Maislinger. Sein Vorschlag, im Geburtshaus ein „Haus der Verantwortung“ zur Auseinandersetzung mit der Geschichte einzurichten, ist mit dem Enteignungsbeschluss allerdings in weite Ferne gerückt. Dass das Hitler-Haus nicht nur für rechtsradikale Funktionäre etwa der ungarischen Jobbik ein Reiseziel ist, bestätigten zahlreiche Publikumsbeiträge. „19 Prozent aller Anfragen im Fremdenverkehrsbüro betreffen das Geburtshaus“, sagte eine Mitarbeiterin der Braunauer Tourismusauskunft. „Wir machen eine Stricherlliste.“
Täterforschung
Unzufrieden mit der Nutzung außerhalb des historischen Kontexts ist auch Helga Embacher, Professorin für Zeitgeschichte an der Universität Salzburg und Mitarbeiterin am Zentrum für jüdische Kulturgeschichte. Embacher schlägt eine Forschungseinrichtung vor, die sich vor allem mit den Tätern auseinandersetzt. Gerade angesichts der aktuellen politischen Entwicklung sei es von zentraler Bedeutung zu verstehen, wie es funktioniert habe, dass jemand zum Täter wurde.