Finanzielle Schwierigkeiten, bürokratische Hürden, orf.at

08.05.2017

Projekt Beschreibung

Finanzielle Schwierigkeiten, bürokratische Hürden

Vor genau 25 Jahren sind die ersten Gedenkdiener ins Ausland entsandt worden, um an zentralen Orten des Holocaust bzw. an Gedenkstätten Erinnerungsarbeit zu leisten. Die drei Vereine, die sie entsenden, beklagen zunehmend Finanzprobleme und bürokratische Hürden.

Heute, am 8. Mai vor 72 Jahren, ist die nationalsozialistische Herrschaft in Österreich und Deutschland zu Ende gegangen. Zum „Tag der Befreiung“ veranstaltet das Mauthausen Komitee Österreich heute Abend am Wiener Heldenplatz ein Fest der Freude. Wenig Anlass zur Freude haben allerdings jene Vereine, die Gedenkdiener und Gedenkdienerinnen ins Ausland entsenden.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 8.5., 12:00 Uhr.
Pro Jahr unterstützt die Republik Österreich rund 50 Gedenkdiener – der Großteil davon sind junge Männer, die diese Gedenkarbeit als Zivilersatzdienst leisten. Beispielsweise in der Jugendbegegnungsstätte Auschwitz. So wie kürzlich Tobias Fädler, der nunmehr Student ist: „Ich habe vorwiegend mit deutschsprachigen Schulklassen gearbeitet, die sich die Gedenkstätte angesehen habe und ihnen bei der Auseinandersetzung mit dem Holocaust und dem Nationalsozialismus, aber auch mit gesellschaftspolitischen Themen und dem Bezug zur heutigen Zeit geholfen.“

Für Frauen offen, aber unterfinanziert

Neuerdings steht der Gedenkdienst auch Frauen offen. Den einjährigen Gedenkdienst unterstützte die Republik zunächst mit 10.000 Euro – für An- und Abreise, Wohnen, Essen und sonstige Lebenshaltungskosten. „Aktuell gibt es dafür 8.640 Euro pro Person und Jahr“, sagt Jutta Fuchshuber vom Verein Gedenkdienst: „Wenn man von dieser Summe die Zusatzversicherung abzieht, bleiben unseren Gedenkdienstleistenden 520 Euro im Monat übrig, das ist einfach zu wenig Geld.“ Was heißt, dass die Gedenkdiener entweder auf die Familienbeihilfe, auf ihr Erspartes oder die finanzielle Unterstützung der Eltern angewiesen sind – vor allem, wenn sie an teuren Orten wie Berlin, Jerusalem oder Washington Gedenkdienst leisten. „Die Anderen brauchen gar nicht dran denken, dass sie nach Israel fahren, wenn sie etwa aus einer Arbeiterfamilie mit geringem Einkommen kommen, weil die gehen dort in Privatkonkurs“, sagt Johannes Schwantner, Geschäftsführer des Vereins Niemals Vergessen.

Bürokratischer Mehraufwand

Der Verein Niemals Vergessen kann heuer gar keine Gedenkdiener entsenden und hat acht Bewerber ablehnen müssen. Der Hauptgrund: Der Gedenkdienst unterliegt neuerdings dem Freiwilligengesetz, der bürokratische Aufwand ist seither in die Höhe geschnellt. Der Mehraufwand ist ein gravierendes Problem für alle drei Gedenkdienst-Vereine, die ja ehrenamtlich tätig sind. Der Politologe Andreas Maislinger vom Österreichischen Auslandsdienst: „Wir haben 25 Jahre lang gezeigt, dass wir das können. Warum macht man uns jetzt diese Auflagen?“. So müssen die Vereine neuerdings etwa das Einkommen der Eltern kontrollieren, sämtliche Abrechnungen der Gedenkdiener genau dokumentieren, ihnen eine Vorschulung im Ausmaß von mehr als 100 Stunden anbieten und: jede Entsendestätte neu anerkennen lassen. Es wurde nämlich verpasst, eine Übergangsregelung zu verabschieden, die den Umzug des Gedenkdienstes aus dem Innen- in das nunmehr dafür zuständige Sozialministerium erleichtert hätte. Das Sozialministerium weist darauf hin, dass den bürokratischen Mehraufwand die verpflichtende Anwendung einer Richtlinie des Finanzministeriums verursacht.

Gespräche mit dem Sozialministerium

Johannes Schwantner vom Verein Niemals Vergessen: „Die Republik hat dafür zu sorgen, dass das vernünftig über die Bühne geht. Auch finanziell. Oder sie sagt offen: Das interessiert uns nicht mehr, das wollen wir nicht fördern – das ist auch eine Möglichkeit.“ Aus Sicht des Sozialministeriums gehe ein Teil des bürokratischen Mehraufwands auf qualitätssichernde Maßnahmen zurück. Zudem habe die Novelle des Freiwilligengesetzes erhebliche finanzielle Verbesserungen gebracht. Es verweist darauf, dass ja nunmehr die Familienbeihilfe, der Kinderabsetzbetrag, sowie das Taschengeld der Entsendevereine mehr Geld für die Gedenkdiener und Gedenkdienerinnen bedeuten können. Allerdings: Das zusätzliche Taschengeld müssten die ehrenamtlichen Entsendevereine selbst von Sponsoren auftreiben, was wiederum zusätzlichen Aufwand bedeutet. Und: Die Familienbeihilfe ist an Voraussetzungen gebunden, die nicht alle Gedenkdienstleistenden erfüllen können: „Wir merken beispielsweise, dass die Kandidaten, die sich für den Gedenkdienst bewerben, älter werden. Der Bezug der Familienbeihilfe steht ihnen dann nicht mehr zu“, sagt Jutta Fuchshuber vom Verein Gedenkdienst. Die drei Entsendevereine führen derzeit Gespräche mit dem Sozialministerium.

Projekt Details

  • Datum 12. Mai 2017
  • Tags Pressearchiv 2017
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