Der Opa und Au-pairs lotsten Gedenkdiener nach Polen, Salzburger Nachrichten

24.6.2019

Projekt Beschreibung

Junge Männer, die im Ausland ihren Zivildienst leisten wollen, müssen sich früh engagieren. Ihre Erfahrungen sind besonders.

Ihre Motive waren durchaus unterschiedlich, aber als Gedenkdiener in Polen haben zwei junge Wiener recht ähnliche Aufgaben. Die 18-Jährigen absolvieren ihren zehnmonatigen Wehrersatzdienst in zwei jüdischen Museen in Krakau und Warschau.

Christoph Schwarzecker ist im Galicia Jewish Museum in der früheren polnischen Königsstadt Krakau bereits in den letzten Zügen, sein Einsatz dauert bis Ende Juni. „Ich wollte nach der Matura ein Jahr etwas ganz anderes machen, weder in Wien, noch beim Heer“, erklärt Schwarzecker. Polen sei nur deshalb naheliegend gewesen, weil er als Kind mit seinem Bruder von polnischen Au-pair-Mädchen betreut wurde. „Unsere Eltern sagten, sie sollen mit uns Polnisch reden“, erzählt der Gedenkdiener. „Ich hab das nicht als außergewöhnlich wahrgenommen, wir Kinder haben darüber nicht viel nachgedacht.“ Die Wahl seines Postens traf er schon vor mehr als zwei Jahren – einerseits kannte er Krakau schon und andererseits fand er den historischen Hintergrund spannend, weil die Provinz Galizien ja Teil Österreich-Ungarns war. „Mit Polnisch hatte ich einen Vorsprung, aber der Anfang war nicht mühelos“, sagt Schwarzecker. Daher habe er Abendkurse in Grammatik auf der Jagiellonen-Universität in Krakau belegt, denn „Polnisch hatte ich seit mehr als sieben Jahren nicht mehr wirklich gesprochen.“ Mittlerweile komme er „auch ohne Englisch recht gut aus“.

Bei Zeno Kujawa dagegen war die Familiengeschichte ausschlaggebend dafür, dass er sich für einen Auslandsdienst in Polen interessierte. „Mein Großvater väterlicherseits war ab Ende der 1980er-Jahre Diplomat in Wien.“ Zeno wuchs mit seinen drei jüngeren Schwestern zweisprachig auf – sein Vater arbeitet als Architekt in Polen und Österreich, die Mutter in der Universitätsverwaltung. Kujawa leistet seinen Gedenkdienst bis Ende Juli im Museum der Geschichte der polnischen Juden in der Hauptstadt Warschau – vor den Nazi-Gräueln ein Weltzentrum des Judentums. Mit dem Holocaust beschäftigte er sich bereits in der Schule intensiv. „Die Möglichkeit, mich im Rahmen meines Zivildienstes damit auseinanderzusetzen, habe ich mit Freude wahrgenommen“, formuliert der junge Wiener. Die polnische Metropole kannte er schon vorher ein wenig, das machte die Wahl leicht.

Was gefällt den beiden Gedenkdienern an ihrem Auslandsjob? Schwarzecker: „Besonders gefällt es mir, Führungen durch das Museum zu geben, meistens auf Englisch für Schulgruppen aus Großbritannien.“ Die positiven Rückmeldungen durch Lehrer oder interessierte Fragen der Schüler freuten ihn besonders, denn dann habe er das Gefühl, Wissen vermittelt zu haben.

Kujawa gefällt es am besten, „neue Dinge über das Judentum in Polen oder Polen ganz allgemein zu lernen“. Außerdem habe er interessante Persönlichkeiten, darunter auch einige Holocaust-Überlebende kennengelernt. Kujawa hat viel mit Workshops und Schulklassen zu tun.

Gedenkdiener müssen sich umfassend auf ihren Auslandseinsatz vorbereiten. Dazu gehört Lektüre, aber auch der Kontakt zu den direkten Vorgängern. „Ins Ausland wollen viele, aber die Vorbereitung macht den Unterschied“, sagt Kujawa. Mehr als die Hälfte werde nicht angenommen, ergänzt Schwarzecker, jedenfalls beim Verein Auslandsdienst, der als einzige Institution Gedenk-, Friedens- und Sozialdienst vermittelt. „Wir sind ja kein Reisebüro“, sagt Andreas Maislinger, der Gründer und Obmann des Vereins Österreichischer Auslandsdienst, über den sowohl Kujawa als auch Schwarzecker vermittelt wurden. Die ausführliche Vorbereitung sei wichtig, um zu erkennen, ob es die Kandidaten ernst meinen und um sie besser kennenzulernen.

Finanziell haben die Gedenkdiener in Polen übrigens Glück, denn sie kommen mit der Zivildienstvergütung (339 Euro im Monat) und den Auslandszuschlägen in dem günstigen Land ganz gut durch. Wer in die USA oder nach Australien gehe, müsse draufzahlen.

Über ihr Gastland schwärmen beide. „Mir gefällt Warschau mittlerweile ziemlich gut und mich hat vor allem überrascht, wie grün und modern die Stadt ist“, so Kujawa. Christoph Schwarzecker stellte in Krakau fest, dass es „hier gar nicht so anders ist als zu Hause. Die Leute sind so, wie man es von Ausländern über Österreicher hört: zu Beginn zurückhaltend, aber sehr freundlich, je besser man sie kennt.“

Nach dem Gedenkdienst wollen beide studieren. Schwarzecker will zurück nach Wien und auf der Wirtschaftsuni einen englischen Bachelor machen. Kujawa denkt an Wirtschaftsmathematik und Statistik, muss sich aber noch zwischen Schottland, den Niederlanden und der Bundeshauptstadt entscheiden.

Quelle: https://www.sn.at/panorama/oesterreich/der-opa-und-au-pairs-lotsten-gedenkdiener-nach-polen-72391270 © Salzburger Nachrichten VerlagsgesmbH & Co KG 2019

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Projekt Details

  • Datum 24. Juni 2019
  • Tags Pressearchiv 2019

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