Bund lässt den Verein für Zeitgeschichte hängen, Braunauer Rundschau

28.09.2000

Projekt Beschreibung

Braunauer Rundschau 28. September 2000
Bund lässt den Verein für Zeitgeschichte hängen Heuer erstmals keine Subvention für die Braunauer Zeitgeschichte-Tage Von den Braunauer Zeitgeschichte-Tagen berichten: Reinhold Klika und Eva Spießberger BRAUNAU. Als ein „falsches Signal“ wertet es der Verein für Zeitgeschichte, dass sich der Bund, genauer das Innenministerium, heuer erstmals nicht an der Finanzierung der Braunauer Zeitgeschichte-Tage beteiligt hat. „Die Subvention war ohnehin nicht sehr hoch, nämlich nur 30.000 Schilling. Heuer ist sie nun ganz ausgeblieben“, ist Vereinsobmann Mag. Florian Kotanko enttäuscht. Stadt, Land und die SPÖ-, ÖVP- und FMU-Fraktion in Braunau, sowie regionale Geldinstitute würden die Veranstaltung jedoch weiter großzügig unterstützen. Zumindest das Land Oberösterreich stellt sich auf die Seite Braunaus. „Ich bin froh, dass hier immer wieder über brisante Themen geredet wird. Uns wurde ohnehin oft der Vorwurf gemacht, wir hätten unsere Geschichte nicht aufgearbeitet. Seit einiger Zeit stimmt das aber nicht mehr. Braunau ist ein positives Beispiel dafür“, lobte Landtagspräsidentin Angela Orthner bei der Eröffnung der 9. Zeitgeschichte-Tage im voll besetzten Theater Gugg. Brisant war das Thema auf jeden Fall, das heuer am Programm stand: „Getrennte Wege“. Wer über die Beziehungen zwischen Deutschland, Österreich und Tschechien redet, kommt einfach nicht an den derzeit aktuellen Fragen wie Temelin oder den Benes-Dekreten vorbei. Die Delegation aus Broumov (Braunau) in Böhmen bekam demnach auch die Ängste und Einwände der österreichischen Politiker zu hören, als diese Temelin und die Benes-Dekrete ansprachen. Braunaus Bürgermeister Gerhard Skiba und Landtagspräsidentin Orthner baten die Gäste darum, die österreichischen Anliegen ernst zu nehmen. Zur „Einstimmung“ auf das Thema präsentierten Gedenkdiener am Eröffnungsabend „Dokumente der Trennung“, die der wissenschaftliche Leiter der Zeitgeschichte-Tage Dr. Andreas Maislinger ausgehoben hatte. Diese können auch im Internet auf der Homepage „www.hrb.at“ nachgelesen werden. Eine Brücke geschlagen Die Geschichte muss gemeinsam aufgearbeitet werden BRAUNAU. Unter dem Titel „Getrennte Wege – Deutsche, Juden, Österreicher, Tschechen im 20. Jahrhundert“ wurden bei den 9. Braunauer Zeitgeschichte-Tagen die Beziehungen zur Tschechischen Republik genauer unter die Lupe genommen. Eine historische Spurensuche unter anderem gemeinsam mit Gästen aus Braunau (Broumov) in Böhmen, die versuchten, getrennte aber auch gemeinsame Wege mit den Gastgebern aus Braunau am Inn zu finden. Keine leichte Aufgabe, eine Brücke über die ertragenen Leiden zu schlagen. Zu präsent sind noch die Erinnerungen der vertriebenen Sudetendeutschen, zu persönlich die Berichte der Vortragenden. Aber auch die von den Nationalsozialisten verübten Grausamkeiten stehen im Raum. „Wir waren Freiwild geworden und mussten innerhalb einer Stunde unsere Wohnung verlassen. Ich war damals 13, meine Schwester fünf Jahre alt, mein Vater war in Gefangenschaft“, erinnert sich Walter Hecht (Ortsbetreuer für die ehemals ansässigen deutschen Bewohner der Stadt Braunau) an die Vertreibung, die Unterbringung im Barackenlager und den Transport mit 1.200 anderen Menschen bis nach Leipzig. „Wir tragen immer noch das Bild von Braunau in uns. Wir sind dort bewusst als Sudetendeutsche aufgewachsen, eine Berührung mit den Tschechen gab es nicht. Erst hinter Braunau fing das Bimsche, das Böhmische, an“, erinnert sich Ernst Birke, Heimatkreisbetreuer des ehemaligen Kreises Braunau. „Damals waren von den 7.000 Einwohnern Braunaus nur rund 300 Tschechen.“ Tibor Pindes, Stadtrat aus Broumov, bringt die Schwierigkeiten auf den Punkt. „Jede Seite sieht es so, wie ihr Volk betroffen war. Die einen sehen Vertreibung als gerechte Strafe an, die anderen als Völkervertreibung. Daher muss für beide Seiten eine anzunehmende Wahrheit gefunden werden“. Einig waren sich die Vortragenden in der Konsequenz daraus, dass nur eine gemeinsame Aufarbeitung der Geschichte auch zu einem „Gemeinsamen Weg“ führen kann. Das Schlagwort der „verfreundeten Nachbarn“ Tschechische Republik und Österreich prägte am Sonntag die Diskussion. Einer politischen und wirtschaftlichen Annäherung stehen aktuelle Probleme wie die Frage um das Atomkraftwerk Temelin, die Aufhebung der Benes-Dekrete oder die Beteiligung Tschechiens an den Maßnahmen der EU-14 gegen Österreich gegenüber. Jan Hlousek, Diplomat im tschechischen Außenministerium, sieht eine „Verrohung der gegenseitigen Kommunikation“. Die Instrumentalisierung antislawischer Gefühle und die Darstellung der „Tschechen als die Bösen“ ortet Hlousek in einem „virtuellen Szenario“ der Beziehungen zwischen den Nachbarn. Ziel müsse daher sein, so Josef Mühlbachler, Bürgermeister von Freistadt, Nationalratsabgeordneter und ÖVP-Vertriebenensprecher, sich „über Nationalismen hinweg zu heben. Trotzdem es viel Trennendes gab, soll man sich die Hand reichen.“

Projekt Details

  • Datum 2. Juli 2016
  • Tags Pressearchiv 2000

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