„AUSLANDSDIENST“
die halbwegs gute Alternative zum Zivildienst
von Klaus Heidegger
1.) EINFÜHRUNG
Durch die Zivildienstgesetznovelle 1991 wurde die Möglichkeit geschaffen, daß Zivildienstpflichtige bei Leistung von bestimmten Auslandsdiensten nicht mehr zum ordentlichen Zivildienst herangezogen werden können. Es ist eine MÖGLICHKEIT. Die Umsetzung dieser Möglichkeit steht noch aus, wenngleich von verschiedenen Seiten bereits Realisierungsschritte gesetzt wurden. Den Auslandsdienst gibt es in der Praxis noch nicht! Damit Auslandsdienste nicht „totes Recht“ und Theorie bleiben, braucht es vor allem die Initiative von Organisationen, die sich bemühen, als Träger für Auslandsdienste anerkannt zu werden. Die durch den Gesetzgeber erfolgte starke und tendenziöse inhaltliche Einschränkung der Tätigkeitsfelder für Auslandseinsätze auf den humanitären und sozialen Bereich ist ein erster Stolperstein, den es zu überwinden gilt. Zweitens ist auch das Verfahren, als Träger anerkannt zu werden, wenig verheißungsvoll. Ein Träger für Auslandsdienste muß vom Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten anerkannt werden. Mit anderen Worten: eine doppelte Abhängigkeit vom Goodwill der Ministerialbeamten.
§ 12 b des Zivildienstgesetzes, beschlossen bei der Zivildienstgesetz-Novelle 1991, gültig seit 1. Jänner 1992, entnommen aus Bundesgesetzblatt # 675/l99l, Seite 2746. (siehe Faksimile)
2.) DIE WlCHTIGSTEN MERKMALE DES AUSLANDSDIENSTES
a) Begriffe: „Auslandsdienst“, „Auslandsdiener“
Im Gesetz ist die Rede von einem „Dienst zur Mitwirkung an der Lösung internationaler Probleme sozialer oder humanitärer Art“. Diese Beschreibung schränkt die Tätigkeitsfelder für mögliche Auslandsdienste in einer Weise ein, daß eine Bestimmung von solchen Diensten sehr schwierig sein kann. Es geht erstens um „internationale Probleme“. Wann ist die Internationalität gegeben? Schon dann, wenn es um ein Problem geht, das zwei Staaten betrifft oder betreffen könnte? Was meint die Einschränkung der internationalen Probleme auf solche sozialer und humanitärer Natur? Ich vermute, daß diese Einschränkung ganz bewußt gemacht wurde, um wiedereinmal Wehrdienstverweigerer von der Möglichkeit eines friedenspolitischen Dienstes auszuschließen. Es geht also explizit eben nicht um einen „Friedensdienst“ im Ausland, wie er beispielsweise von Seiten der Friedensgruppen und einiger Jugendorganisationen seit vielen Jahren gefordert wurde. Laut Zivildienstgesetz muß es ein sozialer und humanitärer Dienst sein! Die Frage lautet also: Was könnten solche sozialen und humanitären Dienste sein, mit denen ein Beitrag zur Lösung internationaler Probleme gemacht werden kann? Bei der Definition dieser Dienste und damit bei der Bestimmung, welcher Dienst als „Auslandsdienst“ anerkannt wird, ist mensch wieder total der Ministerialbürokratie ausgeliefert.
b) Zivildienstpflichtig:
Der Auslandsdienst, um den es hier geht, betrifft Zivildienstpflichtige: das sind jene, die erstens bereits vom Bundesministerium für Inneres einen Bescheid bekommen haben, daß sie Zivildienst zu leisten haben, und zweitens den Zivildienst noch nicht geleistet haben. Jemand, der Auslandsdienst machen möchte, aber noch keine Erklärung zur Leistung des Zivildienstes geschrieben hat, sollte dies gleich machen.
c) Kein Zivildienst im Ausland:
Viele meinen, daß der Auslandsdienst eine Art Zivildienst im Ausland sei. Dies ist durch das herrschende internationale Recht gar nicht möglich. Durch den Auslandsdienst kann jedoch die Pflicht zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes (das ist der normale Zivildienst von nun meist 10 Monaten) aufgehoben werden. Um es einfacher zu sagen: Wer einen anerkannten Auslandsdienst leistet, braucht keinen (ordentlichen) Zivildienst mehr zu leisten. (Freilich – so ganz lassen die Totalverteidiger-Verwalter niemanden aus. Deshalb bleiben auch Auslandsdiener potentielle Kandidaten für außerordentliche Zivildienste!).
d) Der Auslandsdienst muß anerkannt sein:
Für den Auslandsdienst braucht es einen Träger. Das ist eine Organisation, die als juristische Person gilt (z.B. ein Verein). Der Träger kann sich Dienstplätze in einem anderen Staat überlegen, wo Auslandsdiener einen soziaIen oder humanitären Dienst leisten könnten. Hat er solch einen Dienstplatz gefunden bzw. selbst geschaffen, so ersucht er den Bundesminister für Inneres um Anerkennung dieses Dienstplatzes als Ort für den Einsatz eines Auslandsdieners. Eine Information wird zugleich an das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten geschickt, weil dieses Ministerium ebenso seine Zustimmung geben muß, Wenn der Bundesrninister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten die Anerkennung ausspricht, dann kann der Träger diesen Dienstplatz einem möglichen Auslandsdiener anbieten. Wichtig: Die Trägerorganisation muß ihren Sitz in Österreich haben. Es kann also nicht eine ausländische Organisation, wo eventuell ein Dienst geleistet wird, selbst zum Träger werden.
e) Ein Zivildienstpflichtiger will im Ausland Dienst tun
Der Zivildienstpflichtige, der im Ausland dienen will, geht zum vom Innenministerium anerkannten Träger und ersucht ihn, an dem entsprechenden ausländischen Dienstplatz dienen zu können. Danach teilt der Träger dem Bundeministerium für Inneres mit, daß sich der entsprechende Zivildienstpflichtige vertraglich zur Leistung des Dienstes im Ausland bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres verpflichtet hat. Damit kann er nicht mehr zum Zivildienst herangezogen werden. Die erfolgte Leistung des Auslandsdienstes muß der Zivildienstpflichtige danach selbst dem Bundesministerium für Inneres mitteilen, womit seine ZivildienstpfIicht erlischt.
f) Dauer des Auslandsdienstes: mindestens 1 Jahr
Die zwölf Monate müssen durchgehend geleistet werden.
g) Auslandsdienst ist unentgeltlich
Doch was heißt „unentgeltlich“? Es wird sicher möglich sein, daß der Austandsdiener bei seinem Einsatzort Unterkunft und Essen und eventuell auch Taschengeld bekommt, daß auch die Fahrtkosten entweder von der Stelle im Ausland oder vom Träger ersetzt werden. Dies alles sind Dinge, die ausgemacht werden können.
h) Vergleich mit der Situation in Deutschland
Ein Vergleich mit der rechtlichen Situation von Auslandseinsätzen für Zivildiener aus Deutschland kann uns im Weiterdenken und -handeln helfen. Erstens gibt es durch das deutsche Zivildienstgesetz schon eine längere Erfahrung mit Auslandsdiensten. Zweitens lehnt sich der österreichische Gesetzgeber gerne an das deutsche Zivildienstgesetz an so wurde beispielsweise mit der typisch österreichischen Verzögerung adäquat dem deutschen Modell die Zivildienstkommission abgeschafft und gIeichzeitig die Zivildienstdauer verlängert.
* Die internationale Rechtsbasis gilt für Deutschland gleich wie für Österreich. Im Ausland kann der Zivildienst nicht geleistet werden, da er als Form der staatlichen Hoheitsverwaltung organisiert ist und daher mit der fremden Staatsgewalt in Kollision geraten könnte. Auch könnte die staatliche Fürsorge zugunsten des Dienstleistenden draußen auf Schwierigkeiten stoßen.
* In vieler Hinsicht ist jedoch der entsprechende Passus im deutschen Zivildienstgesetz weitaus besser als das österreichische Modell. Deutsche Zivildiener können sich vertraglich zu einem unentgeltlichen Auslandseinsatz verpflichten, „der das friedliche Zusammenleben der Völker fördern will und mindestens 2 Monate länger dauert als der Zivildienst, den sie sonst zu leisten hätten“ (§ 14b deutsches Zivildienstgesetz). Explizit können deutsche Kriegsdienstverweigerer also Friedensarbeit in ihrem Auslandsdienst leisten. Die Benachteiligung durch eine gegenüber dem Zivildienst verlängerte Dauer des Auslandseinsatzes ist weiters durch das deutsche Gesetz wesentlich geringer als in Österreich.
* Entsprechend der ausdrücklichen Nennung der Tätigkeit von Friedensarbeit in deutschen Zivildienstgesetz sind auch die de facto Beschaffenheit der anerkannten Träger für Auslandseinsätze sowie deren Dienstplätze. Die Träger für Auslandseinsätze haben sich in einer „Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden e.V.“ zusammengeschlossen. Dazu gehören z.B. die Aktion Sühnezeichen, der internationale christliche Friedensdienst e. V. (EIRENE) oder Service Civil International.
3.) POTENTIELLE TRÄGER FÜR AUSLANDSDIENSTE
Die ersten Versuche
(1) PROJEKT „STRASSENKINDER IN BUKAREST“
Dies ist ein Projekt der Caritas der Erzdiözese Wien. Im März d.J. hat die Caritas bereits die Anträge an Innen- und Außenministerium bzgl. Anerkennung als Träger von Auslandsdiensten gestellt.
Das Projekt „Straßenkinder in Bukarest“ wurde bereits im Spätherbst 1991 begonnen. Projektleiter ist Pater Georg SPORSCHILL S.J., der in Wien seit einigen Jahren vergleichbare Projekte aufgebaut hat und betreut. Gemeinsam haben Caritas Bukarest und Caritas Österreich im Herbst 91 das erste Kinderhaus in Bukarest eingerichtet. Der Andrang der Straßenkinder war so groß, daß noch im Winter 91/92 weitere Häuser eröffnet wurden. Für das wachsende Projekt gründete die Caritas den Trägerverein Concordia. Kinder, die unter Verwahrlosung, Prostitution, Krankheit, Dreck, Drogen und Gewalt leiden, die aus überforderten Heimen weggelaufen sind und nicht die Geborgenheit der Familie haben, sollen in den von der Caritas aufgebauten Häusern in Gemeinschaften zusammen kommen, sich waschen und kleiden, essen und wohnen können. Durch Unterricht, medizinische und psychologische Betreuung sollen sie zu einem würdigen Leben geführt werden.
Volunteers arbeiten bei diesen Projekten mit, wenn sie sich mindestens drei Monate dazu verpflichten. An einer Auslandstätigkeit interessierte Helferlnnen werden zunächst im Wiener Jugendhaus der Caritas auf ihre physische und psychische Eignung und Belastbarkeit getestet und werden verpflichtet, Grundkenntnisse in der rumänischen Sprache zu erwerben.
Meines Erachtens hat dieses Projekt der Caritas gute Erfolgschancen, von den entsprechenden Stellen anerkannt zu werden. Wenn es die Caritas nicht schafft, dann wird es für alle anderen auch nicht leicht werden. Insofern betrachte ich dieses Projekt als wichtiges Pilotprojekt.
Für Interessenten: Caritas der Erzdiözese Wien, Trauttmansdorffg. 15, 1 130 Wien, tel: 0222/ 82 26 31-0.
(2) PROJEKT „GEDENKDIENSTE“
Von Andreas MAISLINGER wurde dieses Projekt bei den zuständigen Stellen eingebracht. Möglichkeiten zur Ableistung von Gedenkdiensten soll es in drei ausländischen Holocaust-Gedenkstätten geben: In Yad Vashem in Jerusalem, der Anne Frank-Stiftung in Amsterdam und im KZ Auschwitz-Birkenau.
Der Initiator Andreas MAISLINGER spricht dabei von einer „Gedenkdienstpflicht“. Es soll um ein Zeichen der Bereitschaft gehen, sich der Vergangenheit zu stellen. Das Bekenntnis der eigenen Mitschuld am Holocaust kann durch solche Dienste symbolisiert werden. Für Interessenten: „Gedenkdienst“, c/o Andeas MAISLINGER, Hutterweg 6, 6020 Innsbruck, Tel.: 0512/507-2712.
(3) PROJEKT „INTERNATIONALES CAMP IN PALÄSTINA“
Ab August 1992 wird in den vom israelischen Staat besetzten Gebieten Palästinas ein ständiges internationales Camp zum Schutz der palästinensischen Bevölkerung gestartet. Dieses Camp wird sowohl von palästinensischen Organisationen vor Ort unterstützt als auch von europäischen Palästina-Solidaritätsgruppen. Vom Camp aus wird eine Fülle an Arbeits- und Aktivitätsmöglichkeiten angeboten, wie z.B.: Mitarbeit in landwirtschaftlichen Kooperativen, Mithilfe in Kindergärten und Schulen, in Kliniken und Gesundheitszentren. Als „Camp“-Ort dient eine umgebaute Jugendherberge in Ost-Jerusalem.
Leute vom Friedensdienst-Projekt Steiermark, das im Herbst 1993 starten soll, werden sich überlegen, ob sie ihre Zivildienstpflicht als „Auslandsdiener“ bei diesem Projekt ableisten wollen.
Kontakt in Österreich: Palästinensische Jugendorganisation, PF 271, 1021 Wien.
4.) MUT ZU VIELEN NEUEN PROJEKTEN
Ich wage zu behaupten: Jeder geeigneten und den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechende Organisation wird bei entschiedenem Einsatz die Anerkennung als Träger für Auslandsdienste gelingen. Der Möglichkeiten für Tätigkeiten von Auslandsdienern gibt es unzählbar viele – sie sind so zahlreich, wie unsere Phantasie sein kann.