Projekt Beschreibung
Sozialdienst/Zivildienst im Ausland-
Ein Tiroler Bauernsohn in Pakistan und Israel!
14 Monate war ich fernab des Heimatlandes, um für dieses in Form eines Zivilersatzdienstes zu dienen. 14 Monate, die sich im nachhinein sehr gelohnt haben. Auch 14 Monate, in denen ich meine eigene Heimat erst richtig zu schätzen gelernt und neue Heimaten gefunden habe.
Manchmal war es ein wenig abenteuerlich und ungewohnte Sachen kamen auf mich zu, hier sei nur das pakistanische Essen erwähnt. Ich habe in 6 Wochen 6 Kilo abgenommen. Wenn ich nun so das Zeitrad zurückdrehe und mir den Anfang dieser Zeit vorstelle, so muss ich nicht schlecht staunen und auch ein wenig lachen. Ein Tiroler Bauernsohn in Pakistan!
Ich habe zusammen mit Florian Wille, einem Oberlandler, am 1. Februar 2001 meinen Dienst bei den SOS Kinderdörfern Pakistan begonnen. Es gibt dort ca. 10 Dörfer, die für mehr als 1000 Kinder ein Zuhause sind. Die Kinderdörfer sind pakistanisch und wir waren die einzigen Ausländer, die dort beschäftigt waren. Meine Aufgabe war es, den Kindern grundsätzliche Sachen in der Landwirtschaft beizubringen und mit ihnen Englisch zu sprechen. Dies klingt zwar leicht, aber am Anfang war es eine fast unüberwindliche Sprachbarriere. Es mussten deshalb auch oft Hände und Füße verwendet werden, um sich dem anderen verständlich zu machen, und am Ende wurde doch etwas ganz anderes verstanden. Mein Kollege, Florian Wille, ein HTL Absolvent hatte die Aufgabe eine Holzwerkstatt einzurichten und den Kindern grundsätzliches in der Holzverarbeitung beizubringen. Aufgrund seiner guten EDV Kenntnisse durfte er auch die Homepage der SOS Kinderdörfer Pakistan gestalten, www.sos.org.pk.
Am Anfang waren die Eindrücke so vielfältig, dass man sie nicht verarbeiten konnte, eine andere Welt. Jede alltägliche Einzelheit verändert sich grundsätzlich und die gewohnte Infrastruktur ist nicht mehr vorhanden. Auch findet man selten Menschen, mit denen man die selben Interessen teilt. Man sprach nicht nur nicht die selbe Sprache, man dachte auch nicht gleich. Obwohl die Sprache der Pakistanis eine sehr offene und ehrliche ist, sobald man sie zu wusste und ein wenig konnte. Durch den Einsatz der Körpersprache und des Deutens bekam man aber sofort einen sehr guten Zugang zu ihnen, d.h. zu einer muslimischen Männerwelt, denn nicht alle Muslims sind gleich…., aber doch alle Männer.
Pakistan ist eines der ärmsten Länder der Welt, 75 % des Staatshaushaltes werden von Kreditrückzahlungen und dem Militär verschlungen, der Rest teilt sich auf Landwirtschaft, Verwaltung und ein bisschen Soziales auf. Zur Zeit ist eine Militärdiktatur, die das Land einigermaßen unter Kontrolle halten kann. Stammesrecht oder demokratische Landlords sind aber nach wie vor die Chefs in den Provinzen und es liefen noch manch andere Dinge, die mir nicht so ganz geheuer waren. Zum Großteil ist Pakistan ein sehr trockenes Land, der Boden sehr karg mit einem ungleichmäßigen Stoffhaushalt.
Meine ersten Erfahrungen in Sachen Gartenbau habe ich in Muzaffarabad/ Azad Kashmir gesammelt. Dort ist das Kinderdorf erst im Aufbau. Nach einer Zwischenstation im SOS Kinderdorf Rawalpindi/Islamabad reisten wir an unseren entgültigen Einsatzort Lahore, der zweitgrößten Stadt Pakistans mit fast gleich vielen Einwohnern wie ganz Österreich.
Wir waren die einzigen unverheirateten Männer im Kinderdorf. Wir haben es als sehr angenehm empfunden wieder mit Mädchen Kontakt zu haben, auch die Mädchen hatten ihren regen Spaß daran, mich zu ärgern und zu necken. Aber nie „sündhaft„, sondern immer nach den Regeln einer muslimischen Gesellschaft. Manche Gärten brachten gute Ergebnisse ein und manch andere wurden von den Kindern als erweiterter Abenteuerspielplatze genutzt.
Einige Kinder arbeiteten mit mir, manch andere kämpften um ein Werkzeug. Der unglaubliche Übermut verschwand jedoch bei der geringsten körperlichen Anstrengung. Ab Mai wurde es so richtig schön heiß, Tage unter 30 Grad wurden immer seltener. Den Unterschied zw. 35 und 45 Grad spürt man nicht mehr, aber der Körper reagiert und man hat sich schnell eine Mageninfektion eingehandelt. Man fühlt sich immer ein wenig benommen und ist teilnahmslos. Wie ich die Hitze am eigenen Körper zu spüren bekam, wurde mir auch klar, warum vieles so langsam geht in Pakistan. Ich begann auch ein Sheloar (= weite Hose) Kamiz (=Hemd) zu tragen, dies ist die Landeskleidung der Pakistanis, dies führte manchmal zu komischen Situationen. Man trinkt ein Lassie (=>Joghurt mit Eis und Zucker), sitzt bequem und muss dem „Bai“ (=Bruder) erklären, dass man nicht aus Afghanistan ist. Dieser ist aber noch überzeugt davon, weil mein Urdu einen afghanischen Akzent hatte und ich es sehr schlecht sprach.
Die Gärten wurden immer besser und ich war auch in der Holzwerkstatt beschäftigt. Gerade als ich mich richtig eingelebt hatte, flogen ein paar „bagal“ (= Verrückte, so sagten sie zu den Terroristen.) in die 2 Wolkenkratzer. Ich hatte in Pakistan nie irgendwelche schlechte Erfahrungen mit den Leuten gemacht und auf einmal stürmt eine Überflut an „Sicherheitswarnungen“ herein. Ich habe mich aber in Pakistan immer sicher gefühlt und auch mit den Leuten dort selten Streit gehabt.
Die unberechenbare Weltpolitische Situation lies einen längeren Aufenthalt auf anraten des österreichischen Botschafters aber nicht zu. Am 16. September dachte ich noch nicht an die Heimreise, am 18. September verlies ich Pakistan und war für zweieinhalb Wochen in Kössen. Ich setzte meinen Sozialdienst im Behindertenheim St. Vincent Ein Karem in Israel fort.
Dies ist der Geburtsort von Johannes dem Täufer und wie fast überall in Israel, ein heiliger Ort. Ich begann hier mit dem 7. Oktober, an diesem Tag begann auch der Luftangriff auf Afghanistan. Ich betreute dort mit Arbeitern und Volontären 70 schwerstbehinderte Kinder im Alter von 2 bis 17 Jahren.
Auch ist es eine bunte Mischung von Muslimen, Juden und Christen in ihren verschiedenen Ausformungen und Wertlegungen. Ich arbeite meistens mit Arabern zusammen, manchmal mit einem russischen Christen. Es kamen sehr viele unterschiedliche Glaubensrichtungen und Menschen an diesem Ort zusammen, das gute Miteinander hat mich immer wieder verblüfft.
Die Umstellung von Pakistan auf Israel war nicht die leichteste, in Pakistan war es selbstverständlich ein Muslim zu sein, in Israel ein Problem. Obwohl Juden, Christen und Moslems an den selben einzigen Gott glauben, sind sie nicht fähig dies zu akzeptieren. Heiliges Land, Verrücktes Land. Das Schöne hier in St. Vincent ist, dass sobald es um die Sorge und Pflege der Kinder geht diese Sachen auf einmal unwichtig werden und jeder sein Bestes zu geben versucht.
Die Arbeit war sehr intensiv, weil man immer mit vollem Verstand bei der Sache sein musste. Manche Kinder aßen nicht, manche schreien und schlagen sich für Stunden den Kopf ununterbrochen am Boden an. Ich arbeitete in einem Zimmer mit 7 Kindern im Alter von 8 bis 14 Jahren. Zwei davon konnten gehen, der Rest saß im Rollstuhl. 3 verstehen Hebräisch oder Arabisch. Sie sind meistens in ihrer eigenen Welt mit ihrer menschlichen Persönlichkeit. Aufgrund des mittlerweile warmen Krieges im Heiligen Land, steht St. Vincent vor einem Personalmangel, weitergehen wird es sicherlich, nur nicht so wie es sein sollte.
Es kommen keine Volontäre aus anderen Ländern und manche Araber sind ohne Arbeitserlaubnis, d.h. illegal, dort. Die Situation, so nennt man den Krieg im Heiligen Land, gerät mehr und mehr außer Kontrolle. Es ist kein Ende in Sicht. Ich kann die Erfahrungen, die ich in diesem Jahr gesammelt habe nur wärmstens weiterempfehlen und ich würde es wieder machen.
Johannes Hechenbichler
Sozialdiener johebi@gmx.at
www.auslandsdienst.at
Projekt Details
- Datum 16. Juni 2016
- Tags Pressearchiv 2002