Projekt Beschreibung
14 spannende Monate
151 Österreicher leisten derzeit ihren Zivilersatzdienst im Ausland
„Jede Stunde investiere ich gerne in dieses tolle Projekt“, gesteht Thomas Peham. Der Zivildiener in Ghana versteht jedoch nicht, warum die Auslandseinsätze der Republik Österreich so wenig wert sind.
Seinen Zivildienst hat Thomas Peham vor drei Monaten in Sunyani angetreten. Gerade in dieser verarmten Region, 400 Kilometer nordöstlich der ghanaischen Hauptstadt Accra, ist der Mangel an Lehrern extrem gross und die Möglichkeit einer Berufsausbildung sehr gering. Sieben von zehn Jugendlichen haben hier keine Chance auf eine Ausbildung.
Vor fünf Jahren hat deshalb der Orden der Salesianer Don Boscos in Sunyani ein Zentrum zur Berufsausbildung eröffnet. 210 Mädchen und Burschen werden zu Tischlern und Schlossern, Maurern, Schneidern und Informatikern ausgebildet. Oder, was hier besonders gefragt ist, zu Landwirten. Nach zwei Jahren erhalten die ausgebildeten Handwerker als Startkapital einen Werkzeugkasten und die Landwirte ein Tier. Zusammen mit ihren gewonnenen Erfahrungen können sie den Grundstein für eine kleine, aber ertragreiche Landwirtschaft in ihren Dörfern legen.
Voller Ideen
„Ich war noch gar nicht richtig angekommen, da haben mir die Schüler ihren grössten Wunsch schon anvertraut. Sie möchten auch Gemüseanbau lernen“, erzählt Thomas Peham. Mittlerweile hat der HTL-Absolvent für Umwelt und Wirtschaft des Zisterzienserstiftes Zwettl mit den 28 Lehrlingen des Lehrbauernhofes ein 500 Quadratmeter grosses Feld angelegt. 16 verschiedene Gemüsesorten von Auberginen bis Zwiebeln werden hier organisch-biologisch angebaut.
Einen spürbaren Erfolg hat der Zivilersatzdienst des 21-jährigen Niederösterreichers bereits drei Monate nach seiner Ankunft in Ghana: Der Schulküche steht nun ausreichend Gemüse zur Verfügung. Und zusätzlich kann Geld damit eingespart werden.
Auch für die verbleibenden elf Monate seines Sozialdienstes mangelt es Thomas Peham und den Landwirtschaftsschülern in Sunyani nicht an Ideen: „Wir wollen eine Kompostanlage errichten und einen Fotoatlas über die Kultur- und Wildpflanzen der Umgebung anlegen.“
Warum so wenig wert?
„In dieses tolle Projekt investiere ich gerne jede Stunde“, gibt Thomas Peham ehrlich zu. Auch finanziell hat der Sohn einer Bauernfamilie in seinen Zivilersatzdienst investiert: über 20.000 Schilling werden es nach Abschluss für den angehenden Studenten sein. Das Taschengeld in Ghana von 1500 Schilling pro Monat ist da nur ein kleiner Ersatz. Deshalb versteht Thomas Peham auch nicht, warum das Innenministerium die Zahl der Auslandszivildiener so radikal kürzt: „Ist der Republik Österreich die Arbeit, die wir überall in der Welt leisten, wirklich so wenig wert, dass wir für unseren Einsatz noch mehr bestraft werden?“
ZUR SACHE
Am Grenzzaun zur Ersten Welt
P. Salvador in der mexikanischen Stadt Tijuana will gar nicht daran denken, was es für die Arbeit mit Strassenkindern bedeuten würde, wenn keine Sozialdiener aus Österreich mehr kämen. „Sie sind zu einem unersetzbaren Teil unserer Arbeit geworden. Und sie haben viel zum Wachstum des Projektes beigetragen“, sagt der Ordensmann der Salesianer Don Boscos. Acht Österreicher haben seit 1999 hier am US-Grenzzaun, der Mauer zwischen Erster und Dritter Welt, ihren Zivildienst geleistet. Am 11. Dezember werden zwei weitere folgen. „Die besonders gute Ausbildung der Österreicher hat dazu geführt, dass wir heute bereits in zehn Siedlungen am Rande der Drei-Millionen-Stadt uns um Jugendliche annehmen“, erzählt P. Salvador. In manchen dieser Colonias ist das salesianische Zentrum gar die einzige Sozialeinrichtung für 10.000 Menschen.
Besonders betonen will P. Salvador, dass alle Zivildiener den Einsatz in der Grenzstadt als einschneidende Erfahrung bezeichnen: „Sie teilen ihr Leben nur mehr in ,vor‘ und ,nach‘ Tijuana ein.“ Und er appelliert, anstatt zu kürzen, den Sozialdienst auszubauen. „Heute sieht man deutlicher denn je die Notwendigkeit, dass diejenigen, die mehr haben, sich in den Dienst derer stellen, die weniger haben.“
Auslandszivildienst wird ausgetrocknet
Sie gelten als Visitenkarten Österreichs. Doch die neue Förderung für Gedenk-, Sozial- und Friedensdiener durch das Innenministerium gleicht einer dramatischen Kürzung.
„Wir lassen uns nicht kleinkriegen durch das Austrocknen unserer Arbeit durch das Innenministerium“, meint Dr. Andreas Maislinger. Denn seit wenigen Tagen ist es für ihn sicher, dass dem Verein für Dienste im Ausland 2002 keine Bundesmittel zur Verfügung stehen werden. 50 Zivilersatzdiener waren schon bereit zur Ausreise.
Ursache für die drastische Reduzierung dieser „Visitenkarten der Republik Österreich“ (Maislinger), die alle 22 Trägerorganisationen betrifft, ist die neue Finanzierung durch das Innenministerium. Bisher wurde der Kostenersatz (138.000 Schilling pro Person) aus dem laufenden Budget gedeckt. Durch die Novelle zum Zivildienstgesetz ist diese Aufgabe mit 1. 1. 2001 auf den Förderverein Auslandsdienst übergegangen. Dafür erhält er vom Innenministerium Mittel. Wer jedoch bis 31. 12. 2000 den Einsatz begonnen hat, wird noch vom Ministerium bezahlt.
Unzumutbar
Doch die für November 2000 angekündigte Gründung des Fördervereins erfolgte erst Ende Mai 2001. Neben den elf Millionen des Innenministeriums tragen die Länder Nieder- und Oberösterreich je 100.000 Schilling zum Vereinsbudget bei. Erst gar vor vier Wochen wurde dann den 22 Organisationen, die Auslandseinsätze durchführen, mitgeteilt, wie viel Förderung sie für 2001 erhalten. Einige Vereine hatten jedoch schon Zivilersatzdiener ausgeschickt. Gerhard Vonach von der Pfarre Frastanz, die vor allem nach Südamerika entsendet: „Das ist eine unzumutbare Situation für junge Leute. Sie bereiten sich bis zu zwei Jahre darauf vor. Ausserdem müssen die 14 Monate in die Lebensplanung passen. Und dann sollen sie nicht gehen können?“ Die Vorarlberger Pfarre hat wie in den letzten Jahren bereits 24 Sozialdiener entsandt. Nur elf Förderungen wurden jetzt erteilt. Ähnlich trifft es unter anderem Jugend Eine Welt (zwei von acht gefördert) und den Verein für Dienste im Ausland (20 von 42). Andere wiederum haben die Post vom Förderverein abgewartet. Daraufhin konnte beispielsweise der Österreichische Friedensdienst (FFD) nur mehr vier statt 14 Friedensdiener im Jahr 2000 losschicken. „Unsere Partner ersuchen uns um Friedensdiener, in Österreich interessieren sich viele junge Menschen, aber es gibt kein Geld“, bedauert Veronika Nitsche vom FFD.
Sponsoren suchen
Der Leiter der Geschäftsstelle des Fördervereins, Mag. Wolfgang Gschliffner vom Innenministerium, verteidigt das Vorgehen: „Auch bisher bestand kein Rechtsanspruch auf Kostenersatz. Nur die Trägerorganisationen haben sich daran gewöhnt, dass der Staat zahlt. Sie müssen nun mehr Sponsoren für ihre Arbeit finden.“ Und sollten die Mitglieder im Förderverein mehr werden, gedacht ist, alle Bundesländer ins Boot zu holen, dann könnten auch mehr als 81 Förderungen pro Jahr in der Höhe von 10.000 E (137.603 Schilling) ausgezahlt werden.
Zur Lösung der Finanzprobleme aller Vereine, die heuer mehr entsandt haben als nachträglich bewilligt wurden, stellt Gschliffner zwei Möglichkeiten in Aussicht. Wer weniger als 10.000 E pro Person verbraucht, kann damit zusätzliche Stellen finanzieren. Das heisst, der Auslandsdienst dauert nicht nur sechs Monate länger als der Präsenzdienst beim Heer, sondern der Einzelne wird sich seinen Ersatzdienst auch noch selber finanzieren müssen.
Darüber hinaus können Förderungen die für 2002 zugesagt sind, schon 2001 ausgeschöpft werden. Das führt im nächsten Jahr dazu, dass sich die Zahl staatlich finanzierter Zivilersatzdiener noch mehr reduziert. Diese Regelung wird sich sogar auf den Bereich der Gedenkdiener negativ auswirken. Christian Klösch, Obmann des Vereins Gedenkdienst, der am 1. September 1992 den ersten Zivilersatzdiener Österreichs nach Auschwitz entsandt hat: „Unser Ziel war die langfristige Zusammenarbeit mit den Holocaust-Gedenkstätten. Nun droht ein abruptes Ende.“
Erfolgsgeschichte
411 Österreicher haben seit 1992 ihren Zivilersatzdienst im Ausland geleistet. Der rasante Anstieg der letzten Jahre – er führte zur Kostenexplosion, wie es im Innenministerium heisst – ist für Andreas Maislinger eine Erfolgsgeschichte: „Junge Menschen interessieren sich nun einmal für gute Ideen. Und sie leisten gute Arbeit, die der Republik Österreich weltweit Ansehen bringt. Darum geben wir die Forderung nicht auf, dass diese Arbeit auch vom Staat stärker finanziert wird.“
Projekt Details
- Datum 3. Juli 2016
- Tags Pressearchiv 2001