Project Description
Gewissenhafter Dienst junger Österreicher
AMSTERDAM – Der achtzehnjährige Österreicher Stephan Schirl arbeitet nun seit sechs Wochen hei der Anne Frank Stiftung in Amsterdam. Er ist einer der drei jungen Österreicher, die im Ausland eine neue, besondere Form des Wehrdienstersatzes, den sogenannnten Gedenkdienst erfüllen. Seine zwei Landsleute wurden in die ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und Theresienstadt entsandt. Österreich hat den Gedenkdienst Ende letzten Jahres eingeführt. Junge Österreicher können zwölf Monate ins Ausland gesandt werden, um dort bei Einrichtungen, die sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust beschäftigen, zu arbeiten. Initiator Dr. Andreas Maislinger, Politologe an der Universität in Innsbruck, kämpfte 15 Jahre dafür, um dieses Projekt zu realisieren. Gestern war er in Amsterdam, um den Gedenkdienst der Öffentlichkeit vorzustellen. Maislinger: “1974 kam ich mit einer deutschen Organisation in Kontakt, die junge Menschen an ausländische Einrichtungen entsendet, um sich der Verbrechen ihrer eigenen Geschichte noch bewußter zu werden. Und ich dachte mir: Warum sollte das nicht auch in Österreich möglich sein?” Bis zur Waldheimaffäre waren die Österreicher vor allem als ein gemütlich jodelndes Völkchen bekannt, bei denen man gut Ferien machen konnte. “Danach waren wir für Außenstehende plötzlich alle Faschisten und Nazis. Einerseits waren wir Opfer, angeschlossen an das Nazireich; andererseits haben sich viele Österreicher der Kriegsverbrechen schuldig gemacht. Seyss-Inquart, Eichmann. Es ist nicht so, wie wir jahrelang gerne glauben wollten, daß wir nur Opfer der Nazis waren. SPÖ-Parlamentsmitglied Walter Guggenberger, der das Projekt unterstützt: “Wir wollen dem Ausland zeigen, daß bei uns nicht nur junge Leute herumlaufen, die jüdische Grabsteine zerstören.” Die Anzahl junger Leute, die sich für den Gedenkdienst gemeldet haben, beträgt mittlerweile 150. Der nach Amsterdam abkommandierte Stephan Schirl kommt aus dem österreichischen Dorf Offenhausen. “Dort trifft sich alljährlich eine Gruppe von Deutschnationalen. Aus dem Dorf selbst beteiligen sich nur sehr wenige an diesen Treffen. Ich interessierte mich für unsere Rolle im Krieg und versuchte, auch mit Deutschnationalen zu sprechen. Das ist mir gelungen, weil es Leute waren, mit denen man ganz normal reden konnte. Sie gehörten zu einem Verein, der die deutsche Dichtkunst hochhält. Doch ihre Ideen sind deswegen nicht weniger gefährlich.” (von einer Berichterstatterin)
Project Details
- Date 8. August 2016
- Tags Pressearchiv 1992