Für österreichische Männer ist das Programm eine Chance den Schmerz von Shoah zu lindern.
Von Bram Eisenthal
Montreal, 18 März (JTA) – Während der Antisemitismus den höchsten Stand seit Jahren erreicht hat kommt Unterstützung für die jüdische Gemeinschaft manchmal von den ungewöhnlichsten Plätzen.
Ein österreichisches Programm, welches eine Alternative zu dem obligatorischen Militärdienst des Landes bietet schickt junge Freiwillige zu Holocaustinstitutionen in der ganzen Welt, einschließlich des Holocaust Memorial Centers in Montreal.
Seit der Eröffnung 1979 machte das Center neulich Schlagzeilen durch die Erbauung von Kanadas erstem Weltklasse Holocaust Museum, ein 4,5 Millionen Dollar teures Projekt, welches die Geschichten und Überbleibsel von lokalen Holocaustüberlebenden darstellt.
Die Gemeinde aus Montreal ist die weltweit größte an Holocaustüberlebenden nach Israel und New York
Das Freiwilligenprogramm, welches Holocausteinrichtungen aus der ganzen Welt unterstützt, ist die Erfindung von Andreas Maislinger. Nach seinen Erfahrungen als Freiwilliger in der Ausschwitz-Birkenau Gedenkstätte, schuf Maislinger das Gedenkdienstprogramm anhand der Gründlinien eines ähnlichen Programms aus Deutschland.
Durch Maislingers Programm haben junge österreichische Männer und Frauen die Möglichkeit für 14 Monate in einer Holocausteinrichtung zu dienen, anstatt den neunmonatigen Militärdienst zu absolvieren.
Die Gedenkdiener werden in die ganze Welt geschickt. Die erste, die nach Montreal kam, war Judith Pfeiffer 1995, und viele mehr sollten in den Jahren darauf nachfolgen.
Im Moment sind Rainer Steindler, 28, und Christian Ruepp, 26, im Montreal Center tätig, wobei Steindlers Dienst nächsten Monat endet.
Steindler wuchs in Salzburg auf, was nicht weit von dem Konzentrationslager in Mauthausen liegt.
„Geschichte ist immer Teil meiner Ausbildung gewesen und über die Jahre habe ich viele Überlebende des Holocausts getroffen“, erzählte er der JTA. „Aufgrund meiner Interessen habe ich mich dazu entschieden, diesen Dienst anzutreten“.
Steindler besuchte einige der größeren KZs- darunter Ausschwitz Birkenau und Dachau- besuchte Seminare, bildete sich durch Literatur und sah sich Filme an, welche sich mit der Holocaust Thematik auseinandersetzen.
Auch wenn Steindler nicht ausschließlich einen geschichtespezifischen Hintergrund hat – so hat er einen Masterabschluß in romanischen Sprachen und arbeitete für eine Multimediafirma in Salzburg – wurde klar, dass das Gedenkdienstprogramm eine logische Alternative zum Heerdienst für ihn wäre.
„Dies schien für mich der nützlichste Weg zu sein, meinem Land zu dienen“, sagte er. „Für mich ist es sehr wichtig, an den Holocaust zu erinnern, und von wem kann man das besser lernen als von Überlebenden und anderen Juden?“
Jack Dym, der Präsident des Montreal Centers und Museums, weiß den Wert des Programms für Institutionen wie seine zu schätzen – genauso, wie für die Gedenkdiener selbst.
„Es ist inspirierend zu sehen, wie sich die jungen Österreicher im Lauf ihrer freiwilligen Arbeit entwickeln“, sagte Dym. „Sie kommen mit dem Wissen über die kalten Fakten der Holocaust Geschichte ausgestattet her und kehren mit einer festen persönlichen Beziehung zu Holocaust Überlebenden und der jüdischen Gemeinschaft nachhause zurück.“
Steindler entschied sich für Montreal weil er in dem Holocaust Center dieser Stadt arbeiten wollte. Er kam im März 2003 an.
Seine Tätigkeit umfasste die Digitalisierung von 6000 Artefakten des Centers für deren Speicherung in der Datenbank, die Justierung von Bilddaten und wenn nötig das Einspringen für den Museumskoordinator. Er kümmerte sich auch um die Übersetzung von Archivmaterial.
„Können Sie sich vorstellen, was es bedeutet, den letzten Brief von jüdischen Eltern aus Deutschland an deren Sohn zu übersetzen, in welchem sie ihn bitten, sie niemals zu vergessen?“, fragte er.
Seine Erfahrungen in Montreal sind durchaus positiv gewesen.
„Die Aufnahme bei der jüdischen Gesellschaft war gut, war aber nichts im Vergleich zu dem familiären Gefühl, welches sich zwischen den Mitarbeitern entwickelte. Unser Teamgeist war unglaublich“, sagte er. „Jeder der Überlebenden die ich getroffen habe ist sehr offenherzig, freundlich und interessiert gewesen und alle gaben ihre persönlichen Erfahrungen an mich weiter.“
Einige haben ihn zum Abendessen eingeladen und er hilft ihnen oft bei der Übersetzung von Dokumenten für Versicherungsanstalten und zahlreicher Amtsbefugnisse.
Die Überlebenden haben mir für meine Arbeit gedankt und sagen, dass ich ein Zeichen dafür bin, dass die Dinge sich geändert haben und in die richtige Richtung gehen“, sagte er. „Ich habe großen Respekt für die Überlebenden des Holocaust. Ich kann mir nur ungefähr vorstellen, was sie durchgemacht haben“.
Aber, sagt er, er tue das nicht, weil er sich schuldig fühle.
„Wenn ich das positive Erbe der Generation meiner Großeltern annehme, muss ich das auch mit der negativen Seite tun und mich mit ihr auseinandersetzen“, sagte er.
Weitere Informationen über den Gedenkdienst gibt es unter www.maislinger.net