Der “kleine Botschafter Österreichs”
Es klingt beinah’ zu schön um wahr zu sein: Er arbeitet in einem der wichtigsten, modernsten und interessantesten Museen der Welt, ist über 8000 km Luftlinie von seiner Heimat entfernt und erfüllt bei einer ihn ausfüllenden Arbeit nebenbei auch noch seine Zivildienstpflicht. Für den 28jährigen Johannes Ungar ist dieser Traum wahr geworden. Die HBZ traf den “Gedenkdienst”-Leistenden an seiner Arbeitsstelle.
Berufswunsch
Das “Ritual” ist jeden Morgen daselbe: Menschenschlangen – an Stoßzeiten mehrere hundert Meter lang – warten beim Eingang auf Einlaß und im Inneren sorgen duzende Sicherheitskräfte mit Metalldetektoren und Scannern für “flughafenähniche” Kontrollen. Wenn Johannes Ungar zwischen 9 und 10 Uhr zusammen mit den tausenden Besuchern das “United States Holocaust Memorial Museum” im Herzen Washington D.C.’s betritt, erfüllt er sich täglich einen Traum, den mit ihm unzählige österreichische Zivildiener träumen. Ursprünglich hätte er sich mit dem Thema Zivildienstpflicht ja gar nicht auseinandersetzen müssen: Der Sohn eines evangelischen Pfarrers, dessen Wurzeln in Lembach in Tirol liegen, strebte ganz dem Vorbild seines Vaters nach, und er begann evangelische Fachtheologie an der theologischen Fakultät Wien zu studieren. Die Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Theologie bewirkte – in dem (wie er selbst sagt) sehr fromm Erzogenen – allerdings einen Wertewandel, Johannes änderte seinen Berufswunsch und wechselte nach insgesamt 10 Semestern Theologie (davon 2 in Heidelberg und 1 in Zürich) das Studium. Fortan galt sein Interesse der Soziologie sowie einem Fächerbündel aus Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaften.
Die Suche nach dem Job
Doch mit dem Abbruch des theologischen Studiums kam auf Johannes auch die Präsenzdienstpflicht und damit die Suche nach einer geeigneten Zivildienststelle. Denn eines wußte der junge Tiroler genau: Auf keinen Fall wollte er die Erfahrungen seines Bruders machen, der beim Bundesheer alles andere als glücklich gewesen war. Möglichkeiten, sich sinnvoll zu betätigen gab und gibt es ja genug: Amnesty International, Greenpeace,… die Liste der Institutionen, für welche sich Johannes Ungar interessierte, war lang. Doch als er bei seinen Nachforschungen auf den “Gedenkdienst” stieß, ließ ihn die Idee, Aufklärungsarbeit in Sachen Holocaust zu leisten, nicht mehr los. “Im Gymnasium haben wir kaum etwas über den Holocaust gelernt. Unser Geschichte-Unterricht endete praktisch mit dem 1. Weltkrieg”, weiß der heute 28jährige Student zu erzählen, der bereits im Zuge seines Studiums Interesse für die tragische Geschichte der Juden im 2. Weltkrieg entwickelte.
Kein Honiglecken
Die “ruhige Kugel schiebt” Johannes Ungar in seiner Profession allerdings nicht, erfordert doch die gute Ausstattung (seine Arbeitskoje bietet PC, Telefon, Fax und e-mail Adresse) auch eine Menge an persönlichem Einsatz. Termine müssen koordiniert werden, Führungen für österreichische Delegationen wollen vorbereitet werden, eigene Projekte (z.B. Ausstellungen bedürfen der ständigen Betreuung, und als quasi Anlaufstelle in einer der wichtigsten Forschungs- und Archivstätten der Welt muß Johannes nicht nur Anfragen aus aller Welt bearbeiten, sondern auch Übersetzungen selbständig durchführen. Kein Wunder, daß er sich schon jenseits der 150 Überstundengrenze bewegt. Neben dem Arbeitsaufwand kommt noch ein ganz entscheidender Punkt dazu: Die “Besoldung”, sprich Bezahlung, ist alles andere als lukrativ, und noch ist nicht sicher, ob der USA-Aufenthalt – trotz Bezahlung und Spesenvergeltung – nicht in einem Minus enden wird. Für Johannes Ungar ist Geld aber Nebensache. “Mich füllt meine Arbeit aus, sie macht Spaß und mir ist das Wichtigste”, erklärt der sympathische junge Österreicher, für den auch sein Traumjob etwas mit Aufklärungsarbeit gegen Rechts zu tun haben soll. “Ich würde gern Programme, Projekte und Konferenzen gegen Fremdenhaß, Intoleranz und Gewalt von Rechts organisieren”, sagt jemand, der in Artikeln bereits mit dem Titel “Kleiner Botschafter Österreichs” bezeichnet wurde. Wer weiß, vielleicht wird schon bald ein zivildienstleistender Hartberger in Prag, Brüssel, Amsterdam, Jerusalem oder eben Washington D.C. für den “Gedenkdienst” und Österreich arbeiten. |