Auslandsdienst, Joynt

01.10.2000

Project Description

Joynt Vol. 10, Oktober 2000

Auslandsdienst

Neben den beiden gewohnten Möglichkeiten den Dienst fuer Österreich abzuleisten gibt es seit 1992 eine Alternative. Nicht (wie der eine oder andere glauben könnte) die Verweigerung, sondern den AUSLANDSDIENST.

Von: Siegfried Kerschner, freier Mitarbeiter, maraze@gmx.de

Dieser dauert 14 Monate und gliedert sich in die Bereiche Gedenk-, Sozial- und Friedensdienst auf.

Um eine Stelle im Ausland zu bekommen, ist es notwendig sich frühestmöglich bei einer österreichischen Trägerorganisation, wie zum Beispiel der größten, der von Dr. Maislinger gegründetete “Verein für Dienste im Ausland”, zu engagieren. Zwar sieht die derzeitige Lage für die Zuweisung zum ordentlichen Zivildienst ohnehin schlecht aus, da mit langen Wartezeiten gerechnet werden muß, jedoch ist mit dem Erhalt eines Schreibens die Zuweisung zum ordentlichen Dienst nicht mehr rückgängig zu machen und die Möglichkeit auf einen Dienst im Ausland sind somit ausgewischt.

Während beim ordentlichen Zivildienst starke Kürzungen vorgenommen wurden, ist der Auslandsdienst momentan noch davon verschont geblieben, d. h. der Abbau der Stellen hat die Auslandsdiener bis jetzt nicht betroffen. Um zu einer Stelle, die selbst ausgesucht wird, durch eine Bewerbung zu gelangen, ist eine intensive Vorbereitung für die Stelle als auch Mitarbeit im Verein notwendig. Für den Verein ist deshalb großes Engagement notwendig, da die Vereinsarbeit fast ausschließlich auf freiwilliger Basis verläuft und auf der anderen Seite sicher gestellt werden muß, daß der Auslandsdiener im Interesse Österreichs arbeitet und sowohl zuverlässig als auch geeignet ist.

Hat sich ein zivildienstpflichtiger Österreicher für den Auslandsdienst und eine Trägerorganisation entschieden, so ist es notwendig einen der drei Bereichen Sozialdienst, Gedenkdienst oder Friedensdienst zu wählen. Der Gedenkdienst befaßt sich mit den Opfern des Nationalsozialismus, um sich, wie auch in der Präambel zum Regierungsprogramm vom 3. Februar 2000 gefordert, seiner Verantwortung aus der verhängnisvollen Geschichte des 20. Jahrhunderts zu stellen. Die Gedenkdiener arbeiten dabei an Holocaust- Gedenkstätten, wie Museen und Forschungseinrichtungen. Sie haben jedoch auch öfters Kontakt mit ehem. KZ-Insassen und Zeitzeugen und schaffen somit eine direkte Verbindung zwischen den Generationen.

Seit kurzem werden vom Verein für Dienste im Ausland neben Gedenkdienern auch Sozialdiener ins Ausland entsandt. Die Aufgabenfelder sind dabei weit weniger eingeschränkt als die der Gedenkdiener, denn der Gesetzgeber fordert lediglich, daß der Dienst “im Rahmen von Vorhaben, die der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung eines Landes dienen” geleistet wird. Daraus ergibt sich eine Vielfalt an Möglichkeiten für alle die, die diesen Dienst antreten wollen. Die Stellen gehen von einem “Suppenprojekt” zur Versorgung der ärmsten Bevölkerung in Itinga (Nord-Ost-Brasilien), über eine Unterbringungsstätte von Straßenkinder in Buenos Aires oder ein Projekt “Water for Health” in Kenia, das eine Trinkwasserversorgung zum Ziel hat, bis hin zur “Gay Men’s Health Crisis” – Stelle in den USA. Der Sozialdienst wird in Süd- und Mittelamerika, Asien, Europa und auch drei Länder in Afrika angeboten, währenddessen Gedenkdiener hauptsächlich in den USA und in Europa anzufinden sind. Die dritte Möglichkeit, der Friedensdienst, ist die eher seltene Form des Auslandsdienstes, wenngleich auch ebenso sinnvoll. Er sollte der Erreichung oder der Sicherung des Friedens im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten dienen.

Interview-Protokoll: Andreas, Auslandsdiener

Zum Thema Gedenkdienst schreibt ein Auslandsdiener seine Eindruecke und Erfahrungen in einem Interview nieder:

Andreas, du hast am 1. September 1999 zusammen mit Heinz angefangen in Reno für das Center for Holocaust, Genocide & Peace Studies zu arbeiten. Wie hast du vom Auslandsdienst erfahren?

Auf die Existenz des Auslandsdienstes wurde ich aufmerksam, als ich noch an der Universität Innsbruck studiert habe. Dort sah ich ein Plakat mit der ins Auge springenden Überschrift “Möchtest Du Zivildienst im Ausland leisten?”. Das interessierte mich, da ich wußte mir steht mein Dienst am Staat noch bevor. Ich notierte die Telephonnummer, und von da an war der Stein eigentlich am rollen.

Welche Arbeiten gab es für dich im Verein bevor du deinen Dienst in Reno angetreten hast?

Das waren ganz verschiedene Aufgaben. Im Vordergrund stand die Vorbereitung auf den Dienst. Der Verein für Dienste im Ausland organisiert regelmäßig Seminare in Wien und Braunau, wo wir mit unseren Aufgaben als Gedenkdiener vertraut gemacht werden. Organisatorisches wird dort besprochen, Zeitzeugen sind eingeladen, um uns über ihre Erfahrungen aus der Zeit des Holocaust zu erzählen. Ich habe zum Beispiel zuvor noch nie jemanden getroffen, der in einem Konzentrationslager gefangen war.

Als Landesreferent für Tirol und Vorarlberg organisierte ich regelmäßig Informationsabende für Interessenten, informierte Medien über unsere Arbeit und nahm Kontakt zu uns nahestehenden Organisationen, wie dem Jüdischen Museum Hohenems, auf.

Was genau gab dir die Motivation für eine Holocaust Institution zu arbeiten?

Als Politikwissenschaft und Geschichte Student war es für mich naheliegend diese Chance zu ergreifen, um mich genauer mit dem Holocaust auseinanderzusetzen. Bevor ich überhaupt noch vom Gedenkdienst wußte, besuchte ich Vorlesungen und Seminare zum Thema an der Universität Innsbruck.

Nachdem du deinen Dienst angetreten hast – wie war das für dich tausende Kilometer von zuhause entfernt zu leben? Hattest du zuvor schon Kontakte in die USA?

Natürlich war das alles sehr aufregend für mich. Ich muß gestehen, ich bin vor meiner Ankunft hier nicht sehr viel gereist. Das machte es aber nur um so spannender.

Kontakte hatte ich insofern schon, als ich im Jahr vor meinem Dienstantritt schon einmal hier war, um mir alles anzusehen und die Menschen mit denen ich arbeiten sollte kennenzulernen.

Die Aufnahme durch die Direktorin des Centers, Dr. Viktoria Hertling, und dem Board of Directors war sehr herzlich.

Wie finanziert sich dein Dienst in den USA?

Wir erhalten von der Republik Österreich die durchschnittlichen Kosten die ein Zivildiener verursacht. Das Geld reicht aber bei weitem nicht aus, um den Aufenthalt hier zu finanzieren. Eine weitere Belastung für die Gedenkdiener in den USA ist der sich immer verschlechternde Wechselkurs. Durch den Kursabsturz seit Beginn meiner Zeit hier sind allein meine Mietkosten pro Monat um mehr als tausend Schilling angestiegen!

Beschreibe in ein paar Sätzen das Center und die Arbeit die du dort verrichtest.

Das Center for Holocaust, Genocide & Peace Studies ist Teil der University of Nevada, Reno. Wir haben ein sehr erfolgreiches akademisches Programm – Holocaust, Genocide & Peace Studies. Das Interesse von Studenten an den Vorlesungen und Seminaren von Prof. Hertling ist größer als unsere Kapazitäten.

Die Gedenkdiener konzentrieren ihre Arbeit vor allem auf “Community Outreach”, d.h. Heinz und ich gehen hier regelmäßig an Schulen um zu Schülern zwischen 12 und 18 Jahren über den Holocaust zu sprechen. Bisher sprachen wir zu ca. 2500. Für mich sind diese Schulbesuche die interessanteste Aufgabe. Ansonsten helfen wir halt überall wo’s geht. Ich gestalte die Webpage des Centers (www.unr.edu/chgps/blank.htm), Heinz übernimmt die Produktion der CenterNews, unsere Publikation, wir arbeiten im Archiv, übersetzen Dokumente, nehmen Nachlässe ins Archiv auf etc. Ein weites Spektrum an Aufgaben eigentlich.

Welchen Nutzen für die Gesellschaft siehst du in deiner Arbeit?

Der Eindruck, den wir hier in Reno hinterlassen haben ist sicher ein bleibender. Mittlerweile sind wir schon so bekannt, daß uns Menschen einfach zu sich einladen um mit ihnen über unsere Arbeit sprechen. Viele sind überrascht über die Existenz des Gedenkdienstes, sind aber immer voll des Lobs. Ich sehe v.a. in unseren Schulbesuchen eine wichtige Chance. Wenn auch nur ein paar Schülern klar wurde, wohin Vorurteile und Haß führen können, nämlich zu Vernichtung und Tod, und sie verstehen daß dadurch aber auch gar nichts gewonnen ist, sondern nur noch mehr Haß entsteht, macht unsere Arbeit absoluten Sinn.

Wie hat sich dein Leben seit Beginn deines Dienstes verändert?

In vieler Hinsicht. Wir haben neue Freunde gefunden, können uns stundenlang auf Englisch unterhalten, sammelten Erfahrung im Unterricht, etc. Da gibt es so viel! Ich freue mich aber auch wieder nach Österreich zurück zu kommen. Man sieht vieles in einem anderen Licht und schätzt die schönen Seiten viel mehr.

Project Details

  • Date 1. July 2016
  • Tags Pressearchiv 2000

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