Bei dem alljährlichen March of the Living handelt es sich um einen Gedenkmarsch vom Konzentrationslager Auschwitz zum Vernichtungslager Birkenau. Traditionell findet der Marsch, an Yom Hashoa, dem internationalem Holocaust-Gedenktag, statt.
An dem Marsch gedenken nicht nur Überlebende, Hinterbliebene und Betroffene den Opfern des Holocausts, sondern es wird auch versucht, das Wissen über die Ursprünge und Folgen von Vorurteilen, Intoleranz und Rassismus an die vielen vielen jungen Teilnehmer weiterzugeben. Seit 1998, als der Marsch das erste Mal stattfand, haben insgesamt bereits über 220.000 Menschen aus mehr als 52 Ländern die drei Kilometer lange Strecke als Zeichen der Erinnerung bewältigt.
Als ein starkes Zeichen wird der Marsch, dessen Name sich auf die Todesmärsche von KZ-Häftlingen bezieht, auch von den Holocaust-Überlebenden angeführt, welche selbst ein zentrales Element beim Marsch darstellen. So teilen sie etwa ihre Erfahrungen, Erinnerungen und auch ihr Leid mit den vorwiegend jugendlichen TeilnehmerInnen. Jüdische Jugendliche gehen diesen Weg gemeinsam mit jungen Menschen aus anderen Religionen.
Nach dem Marsch wurde bei der großen Gedenkfeier musiziert und getanzt, jiddische und israelische Volkslieder gesungen. Mit musikalischer Untermalung wurden die Namen von Opfern des Holocausts in der emotionalen Feier aufgezählt. Überlebende und prominente Gäste hielten Reden, darunter der Oberrabiner von Tel Aviv Yisrael Meir Lau, die israelische Justizministerin Ayelet Shaked und der drusische Knesset-Abgeordnete Hamad Amar. Auch Videobotschaften zum Gedenken vom Israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, der Botschafterin der Vereinigten Staaten bei den Vereinten Samantha Power und dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau wurden übermittelt.
Vor und nach dem Marsch gab es noch ein breites Rahmenprogramm, im Zuge dessen die Besucher unter anderem Orte wie den jüdischen Friedhof oder das Auschwitz Jewish Center besichtigten. Viele Teilnehmer des Marsches reisten in der Woche darauf gemeinsam nach Israel weiter, wo sie den israelischen Unabhängigkeitstag feierten.
Vorbereitet und durchgeführt werden die Veranstaltungen von March of the Living International, einer Organisation, die neben dem Besuch von Gedenkorten und der Begegnung mit Überlebenden und Zeitzeugen auch die Mitarbeit von Historikern und Gedenkstättenpädagogen in die konzeptionelle Gestaltung einbezieht. Nationale Organisationen wie March of Remembrance and Hope Austria (MoRaH) organisieren Studienreisen sowohl für Schüler und Studenten als auch für Erwachsene.
Gedenkdienst am Auschwitz Jewish Center
Für Paul Sautner, der seit 1. September 2015 seinen Gedenkdienst im Auschwitz Jewish Center in Oświęcim leistet, war der Marsch eine ganz besondere Erfahrung, denn er war nicht nur Teilnehmer sondern auch in die Organisation involviert. Schon bevor Paul mit dem Gedenkdienst in Kontakt kam, interessierte er sich für das Judentum. Als er sich dann auf eine Einsatzstelle festlegen musste, entschied er sich für Oświęcim, weil er an einen Ort wollte, an dem er möglichst engen Kontakt mit der jüdischen Kultur und Religion hat. Diese Erwartungen von Paul Sautner haben sich erfüllt. Die Aufgaben am Auschwitz Jewish Center drehen sich vor allem um die ehemalige jüdische Gemeinde. Mit der alten Synagoge in Auschwitz existiert ein Treffpunkt zur Zusammenkunft für jüdische Besucherinnen und Besucher, die Paul hier kennen lernen darf. Zudem gefällt Paul das angenehme Arbeitsklima am Center, wie auch die Tatsache, dass täglich neue Aufgaben auf ihn zukommen. Seine Einsatzstadt Oświęcim ist für den Gedenkdiener auch abseits der Arbeit an der Einsatzstelle sehr spannend, finden in der kleinen Stadt mit ungefähr 40.000 Einwohnerinnen und Einwohnern doch zahlreiche Veranstaltungen über die Jüdische Geschichte und der Aufarbeitung des Nationalsozialismus statt. Polen ist für Paul Sautner generell ein Land, das bei ihm ein besonderes Interesse für seine Sprache und Geschichte wecken konnte.
Gedenkdiener Paul Sautner, Hanna und Marko Feingold, Gedenkdiener Simon Pesseg (Verein Niemals Vergessen)
Zum Marsch of the Living reiste dieses Jahr auch der engagierte Gedenkdienst-Alumnus Jörg Reitmaier nach Polen. Er stellte in seiner Funktion als Area-Sprecher von Osteuropa den Kontakt zwischen der Organisation March of Remembrance and Hope Austria (MoRaH) und Paul her. Paul Sautner konnte so nicht nur aktiv an dem Marsch zu partizipieren, von MoRaH bekam er auch die Aufgabe, ca. 500 Schülerinnen und Schüler bei der Veranstaltung zu begleiten. Zudem kümmerte er sich wie seine Gedenkdienst-Kollegen in den Jahren zuvor um den Holocaust-Überlebenden Marko Feingold und dessen Frau Hanna. Er informierte das Ehepaar über das Programm, begleitete sie und diente als erste Ansprechperson, wenn sie etwas benötigten.
Aktives Mitglied eines so großen Ereignisses zu sein, war natürlich ein Highlight von Pauls Gedenkdienst. Paul merkt zwar auch an, dass es an manchen Seiten des Gedenkmarsches organisatorisch noch Probleme gibt, insgesamt war sein Eindruck von der Veranstaltung jedoch sehr postiv. Dass sich mehr als 10.000 junge Menschen aus der ganzen Welt auf den Weg nach Auschwitz machten, um sich in der Form mit dem Holocaust auseinanderzusetzen, imponierte ihm.
March of the Living 2015
Vergangenes Jahr war ein ganz besonderes Jahr für den March of the Living: Es war der 70ste Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz. Entsprechend groß war die Teilnahme am Marsch. Etliche hochrangige Politikerinnen und Politiker aus aller Welt reisten an. Aus Österreich waren Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek, der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf oder auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig dabei. Heinisch-Hosek bekannte, dass es darum gehe, wachsam zu sein und mehr gegen den stärker werdenden Antisemitismus zu unternehmen. Das sei notwendig, „um die Demokratie zu stärken“.
Vergangenes Jahr erschienen: “Witness: Passing the Torch of Holocaust Memory to New Generations” – Geschichte von über 25 Jahren March of the Living.