Teil 1: Mit dem Rhythmus der Sonne und Kaffeeernte – Leben ohne Überfluss in Longo Mai, Costa Rica
Langweilig wird es Daniel Hoblik, der derzeit seinen Sozialdienst auf der Finca Sonador in Longo Mai leistet, nicht. Seine Tätigkeiten könnten vielfältiger nicht sein: Landwirtschaft, Bildungsprojekte und Kinderbetreuung stehen auf dem Tagesplan. Darüber hinaus durfte Daniel mit Sozialdienstkollege Martin Wild die Projekte der Auslandsdiener kürzlich einer Delegation aus Österreich präsentieren.
Longo Mai ist nicht wie die anderen Dörfer im südwestlichen Teil Costa Ricas. Longo Mai ist besonders, das merkt man schon am Namen, denn auch dieser ist kein normaler Dorfname. Longo Mai (bedeutet im Provenzalischen so viel wie „es möge lange währen“) ist eine Initiative hervorgegangen aus der 68er Bewegung, die gemeinschaftliches Zusammenleben auf Basis von Selbstverwaltung und landwirtschaftlicher Selbstversorgung in den Vordergrund stellt. Ihre Ursprünge hat die Organisation in Österreich, Deutschland, der Schweiz und in Frankreich, wo 1973 die erste Niederlassung gegründet wurde. Seitdem betreut die Kooperative zehn Bauernhöfe, Farmen oder Fincas in fünf Ländern, auf denen nicht nur landwirtschaftliche Selbstversorgung sondern auch soziale und politische Projekte gefördert werden.
Vom Fluchtquartier zum Ökoparadies
Als im Jahr 1979 zahlreiche Nicaraguaner vor dem Terrorregime Anastasio Somozas fliehen mussten, entschloss sich die Longo Mai zum Kauf der Finca Sonador in Costa Rica. Die Idee war, den Geflüchteten das Land zur Verfügung zu stellen und ihnen dadurch ein selbständiges Leben zu ermöglichen. Nach dem sich die politische Lage in Nicaragua wieder stabilisierte, übernahmen Flüchtende aus El Salvador, landlose costaricanische Bauernfamilien sowie wenige Europäer das Projekt und machten es zu dem was es heute ist: Ein Ökozentrum. Rund um das Dorf Longo Mai liegen nämlich die Ananas-Plantagen des Konzerns Del Monte, der für schlechte Arbeitsbedingungen und ökologische Zerstörung in der Kritik steht.
Dagegen ist Longo Mai ein ökologisches und soziales Paradies. Hier soll frei von Ausbeutung und Umweltschäden gewirtschaftet werden, quasi „mit dem Rhythmus von Sonne und Kaffeeernte“. Für die Selbstversorgung des Dorfes werden Mais, Bohnen, Reis, Yukka (Maniok), Bananen, Platanos (Kochbananen), Fleisch, Milch, Eier, Früchte etc. produziert, für den Markt vor allem Kaffee und Zuckerrohr. Das Dorf ist offen für in- und ausländische Besucher. Das Angebot richtet sich an Auszeit-Suchende, die sich in den Projekten Longo Mais verwirklichen möchten. Denn – obwohl ein Ort der Ruhe – gibt es in Longo Mai viel zu tun, das erfährt auch Daniel Hoblik täglich.
Die Tätigkeiten in der Landwirtschaft nehmen einen Großteil seiner Zeit in Anspruch. Daniel ist für alles zuständig was den ökologischen Betrieb der Finca sichert. Dazu gehört unter anderem Kaffee ernten, Bananen, Yukka und Kakao hegen und pflegen, Unkraut entfernen, Gewächshäuser bauen, Bäume fällen und Holz bearbeiten. Eine besondere Erfahrung war es eine „Carbonera“ selbst zu bauen, also eine Grube in der Kohle hergestellt werden kann. Dazu wird ein Loch (3m lang, 1,20m breit, 1,40m tief) ausgehoben, das dann komplett mit Baumstämmen und Holz gefüllt wird. Von oben wird die Grube mit nassem Laub und Erde bedeckt. Von einem kleinen Loch daneben wird dann ein Feuer entfacht, das das bedeckte Holz bei wechselnder Sauerstoffzufuhr in Kohle umwandelt.
Bildung in Longo Mai
Die Nachmittage stehen meist im Zeichen der Kinderbetreuung. Montags wirkt Daniel zum Beispiel bei einem Zirkusprojekt mit. Hier können die Kinder des Dorfes von Jonglieren bis Akrobatik alles lernen. Auch am Mittwoch können die Kinder mit Daniel kreativ werden. Dort bieten vier Frauen aus Longo Mai einen Spielenachmittag an, bei dem die Kinder basteln, spielen und besonders viel Spaß am Recycling beweisen. Auch die Jugendlichen betreut der Sozialdiener aus Niederösterreich, führt Gespräche mit ihnen und knüpft Freundschaften.
Besonders wichtig ist es Daniel den Bildungsauftrag von Longo Mai wahrzunehmen. So gibt es nun seit kurzem das Projekt „Escuela de la tierra“, bei dem zwei Professoren aus San José eine kleine Universität in Longo Mai aufbauen möchten. Diese beschäftigt sich bisher mit biologischer Landwirtschaft, Permakultur, Philosophie, Ökologie, Menschenrechten, Spiritualität und Techniken der Indigenen. Neben der Mithilfe an der neuen Uni, gibt Daniel Unterricht in Deutsch und Nachhilfe in Mathematik und hat erst kürzlich bei einem Buchstabierwettbewerb im Fach Englisch mitgewirkt. Der Wettbewerb wurde für die Jugendlichen der Grund-, Unter- und Oberstufe ausgetragen. Die Jugendlichen mussten dabei englische Wörter buchstabieren, Reden halten und mit den Jurymitgliedern kurze Dialoge führen. Daniel, der in der Jury über die Siegerauswahl mitentscheiden durfte, meint: „Ich bin stolz in der Jury sitzen und bei der Veranstaltung mitwirken zu dürfen“.
„Einen Lauf durch den Jungle erlebt ein Europäer nicht alle Tage!“
Dass daneben noch Zeit für Sport bleibt, ist kaum nachvollziehbar, wenn man Daniels Wochenablauf vor Augen hat. Trotz allem versucht er drei Mal in der Woche Sport zu treiben. Außerdem hat der Sozialdienstleistende auch beim wichtigsten Sportevent von Longo Mai kräftig mitgeholfen. Die „Carrera Longo Mai“ ist ein Dorfrennen, das mittlerweile ziemlich bekannt ist, weswegen sogar das Costa Ricanische regional Fernsehen in einer Sendung darüber berichtete. Zu Daniels Aufgaben zählten die Vorbereitung und Durchführung des ein Mal im Jahr stattfindenden Laufes und des anschließenden Dorffests. Der Lauf an sich findet durch den Tropenwald, über Felder, Schotterwege und durch das Dorf von Longo Mai statt. „Einen Lauf durch den Jungle erlebt ein Europäer nicht alle Tage!“, so Daniel. Insgesamt nahmen 60 Personen an der Carrera teil.
Das ehrenamtliche Engagement hat auch das Interesse der heimischen Politik geweckt. Am 16.10.2016 durfte er zusammen mit dem Auslandsdienstkollegen Martin Wild von der 140 km südlich gelegenen Tropenstation La Gamba eine Delegation Österreichischer Politiker fast aller Parteien sowie andere treffen. Petra Bayr (SPÖ), Hannes Rauch (ÖVP), Gerhard Deimek (FPÖ), Matthias Köchl (Grüne) sowie Lydia Ladurner von der österreichischen Botschaft in Mexiko, Bernhard Stocker vom Internationalen Dienst des Parlaments und Roland Spendlingschwimmer, der Gründer der Finca Sonador-Longo Mai, diskutierten mit den Auslandsdienern über ihre Projekte und deren Bezug zu Österreich. Auch über die Zukunft des Österreichischen Auslandsdienstes und der damit verbundene Wechsel vom Innen- ins Sozialministerium stand im Mittelpunkt der Gespräche. Die Politiker zeigten Interesse und Begeisterung für die Arbeiten und Tätigkeiten der Sozialdiener.
von Tobias Mayr
Lieber Daniel,
es ist schön zu sehen, dass du dich so gut in deinem Projekt einbringst und, wie man auf den Bildern sehen kann, auch Spaß an deiner Arbeit hast.
Ich kann mich noch gut erinnern, als wir uns zum letzten mal vor der Abreise am Bahnhof in Wien nach dem Landesreferatstreffen von NÖ gesehen haben und wir beide mit voller Motivation über unsere Ideen und Pläne für unsere Sozialdienste gesprochen haben. Du bist ein gutes Beispiel, dass man, wenn man motiviert ist so einiges bewegen kann, egal ob in Österreich oder in einem anderen Land auf der Welt.
Ich wünsch dir noch viel Erfolg für deine zweite Hälfte des Sozialdienstes und freu mich schon auf unser wiedersehen.