Halbzeit in London

Die Hälfte des Auslandsdienstes ist für viele schon geschafft, manche (die ihren Dienst geteilt haben) sind an einer anderen Stelle angekommen und arbeiten sich ein. Grund genug die vergangene Zeit Revue passieren zu lassen und die AuslandsdienernInnen zu interviewen. Kommmt mit uns auf eine Reise um die Welt! Diesmal: Halbzeit in Brasilien: Bo Leiter

Content-Team: Du bist mittlerweile 5 Monate in deinem Einsatzland, also vermutlich bei der Hälfte des Dienstes angelangt. Das ist eine lange Zeit um viele verschiedene Erfahrungen zu sammeln, aber für den Anfang: Ist alles so abgelaufen wie du dir vorgestellt hast?

Johannes Dóczy: Größtenteils ja. Da man in London die Unterkunft eher vor Ort suchen sollte, verbrachte ich die erste Woche mit Unterkunftssuche, hatte allerdings sehr schnell eine Wohnung gefunden. Eine fast schon größere Herausforderung war die Kontoerstellung bei einer Bank (was letztendlich vielleicht sogar nicht unbedingt notwendig gewesen wäre), da man dafür einige Dokumente benötigt, die man – wenn man neu in London ist – nicht so einfach bekommt.

Content-Team: Was war der erste Kulturschock den du erlebt hast?

Johannes Dóczy: Dass man hier grundsätzlich so gut wie alles mit Karte bezahlt. Die Mülltrennung funktioniert auch etwas anders. Das waren auch schon die größten Unterschiede zu Österreich/Wien – so unterschiedlich ist es in London dann auch wieder nicht. (Natürlich auch, dass man hier auf der linken Straßenseite fährt, allerdings war mir das ja bekannt).

Content-Team: Die Arbeit an der Stelle macht natürlich auch eine Fülle deiner Zeit aus. Was genau sind deine Aufgaben?

Johannes Dóczy: Die einzelnen Aufgaben unterscheiden sich sehr stark von einander. Ich kann Projekte auswählen bei denen ich mitarbeite, z.B. eine Online-Ausstellung erstellen, bei Events mithelfen, usw. Momentan bin ich dabei, Briefe zu nummerieren, die von Dr. Karl Wahle stammen, der erster Präsident am Obersten Gerichtshof in den 50er Jahren war. Seine Tochter hinterließ nämlich der Library all seine Briefe; sie kam mit dem Kindertransport mit ihrem Bruder 1939 nach England während ihre Eltern mit falschen Namen und Papieren in Wien überlebten und dabei einige Dinge erlebt bzw. überlebt haben.

Content-Team: Wie haben sich deine Sprachkenntnisse während dieser Zeit entwickelt?

Johannes Dóczy: Da ich schon vor meinem Dienst relativ gut Englisch sprechen konnte, hat sich nicht allzu viel verändert. Ich merke allerdings schon, dass ich inzwischen wesentlich flüssiger spreche und die Alltagssprache besser beherrsche.

Content-Team: Gab es Situationen in denen du froh um den Verein hinter dir warst?

Johannes Dóczy: Glücklicherweise war ich bisher in keiner Situation in der das notwendig gewesen wäre. Der Besuch von Felix Hafner im Dezember hat mich dafür sehr gefreut. Mit ihm haben wir (Morris-Luca Kühmeier und ich) unsere Einsatzstellen in London und das österreichische Kulturforum besucht.

Content-Team:Was muss man auf jeden Fall über das Einsatzland wissen, bevor man seinen Dienst dort ableistet?

Johannes Dóczy: London ist teuer. Besonders die Miete.

Content-Team: Bei einem Auslandsdienst ist ja alles manchmal sehr stressig. Wo ziehst du dich zurück um Kraft zu tanken?

Johannes Dóczy: Der Park am Russell Square (wo die Wiener Library gelegen ist) ist besonders schön und ruhig – v.a. dafür, dass er so zentral in London gelegen ist. Sehr nett ist es auch in Fulham, der Stadtteil wo ich wohne.

Content-Team: Reisen sind auch Teil des Dienstes. Hast du dein Einsatzland schon erkundet?

Johannes Dóczy: Bisher war ich außerhalb Londons nur in Oxford. Selbst London sollte man eigentlich noch viel mehr erkunden. In UK werde ich eventuell auch Edinburgh und andere Universitätsstädte (Cambridge, Durham, Warwick, …) mir anschauen. Sonst habe ich noch vor, Paris, Brüssel und Dublin zu besuchen.

Content-Team: Wie lange hat für dich die Umstellung zu deinem Einsatzland gedauert, wenn es eine gab, oder war alles sehr ähnlich zu Österreich?

Johannes Dóczy: Es ist eigentlich alles sehr ähnlich zu Österreich/Wien. Eine große Umstellung gab es daher nicht.

Content-Team: Was war bisher das interessanteste an der Stelle oder im Alltag das dir passiert ist?

Johannes Dóczy: Das “interessanteste” war wahrscheinlich im Dezember als ich während der Mittagspause auf der Straße gegangen bin und direkt neben mir ein Baum (es war ein ziemlich großer noch dazu) auf einen LKW gefallen ist. Was mich sehr gefreut hat, war als die BBC einen Bericht über eine Ausstellung der Wiener Library veröffentlicht hat, was viele Besucher auch auf meine Online-Ausstellung gebracht hat. Diese hat dadurch besonders viele Aufrufe generiert.

Content-Team: Wo siehst du den größten Unterschied zwischen deinem ersten Arbeitstag bzw der ersten Woche und einem Arbeitstag, wie du ihn heute erlebst?

Johannes Dóczy: Dass ich keinen festen Zeitplan mehr habe und sehr eigenständig arbeiten kann (wobei das bereits in der ersten Woche teilweise der Fall war). Außerdem kenne ich inzwischen alle Mitarbeiter gut, was eine ganz andere Atmosphäre schafft.

Content-Team: Würdest du Rückblickend noch ein Buch oder ein Werk lesen bevor du den Dienst angetreten hast bzw. Was würdest du deinem Nachfolger mit auf den Weg geben?

Johannes Dóczy: Es gibt zwar kein Werk, dass ich noch zusätzlich empfehlen würde, ich würde meinem Nachfolger aber auf jeden Fall dazu raten, sich auf “spannende” Arbeitswege einzustellen und nicht die Nerven dabei zu verlieren.

Content-Team: Hast du noch etwas das du unbedingt machen willst bevor du wieder nach Hause fährst?

Johannes Dóczy: Mehr reisen

Content-Team: Was nimmst du auf jeden Fall mit nach Hause (Ob vom Lebensgefühl der Leute, oder etwas Materielles)?

Johannes Dóczy: Hoffentlich nicht das Wetter. Was ich hingegen schon mitnehmen will ist der Ehrgeiz, der hier einen größeren und positiveren Stellenwert hat als in Österreich (zumindest war das meine Wahrnehmung).

Content-Team: Würdest du dich Rückblickend wieder für diese Stelle entscheiden?

Johannes Dóczy: Ja, ganz klar.

Content-Team: Johannes, danke für deine Zeit und Antworten!

Johannes Dóczy: Danke für die Fragen. Liebe Grüße aus London!