Ein Jahr an der Casa de los Tres Mundos – Raphael Reichl beendet seinen Sozialdienst
Nach mehr als zwölf Monaten in Nicaragua ist Raphael Reichl wieder zurück in Wien. Die Exotik Lateinamerikas lies er zurück, die Verbundenheit zur Casa aber wird bleiben. Und der Alltag in Wien wartet nun wieder auf ihn. „Das erste Mal wieder U-Bahn fahren und solche Dinge, das sind schon erstmal wieder „Aha“ und „Wow“ Momente“, meint der jetzige Alumnus.
Raphael Reichl
An der Casa de los Tres Mundos war Raphael Reichl eine Kraft, die man nicht leichten Herzens gehen ließ. Im letzten Jahr realisierte der Graphikdesigner viele Kulturprojekte, kuratierte seine eigene Fotoausstellung und produzierte einen Dokumentarfilm über den letzten Bildhauer von Granada
Auch die letzten Monate seines Sozialdienstes nutzte Raphael Reichl für zeitaufwändige Projekte mit viel Geduld und Kleinarbeit, durch deren Erfolg man ihn an der Casa wohl so schnell nicht vergessen wird.
60 Bücher, 1440 Drucke und alles in Handarbeit
An der Casa de los Tres Mundos (Haus der Drei Welten) sind viele verschiedene Kunst-, Musik- und Kreativgruppen beheimatet. Erwachsenen und insbesondere Kindern will man hier eine Chance geben, in verschiedenster Weise kreativ aktiv zu werden. Denn in der Schule kommt das zu kurz. „Lesen, Mathe und Religion sind die wesentlichen Fächer. Für Musik, Sport oder Kunst ist da überhaupt kein Platz“, erzählt Raphael.
In einer der Kindergruppen wollte man ein Buch, genannt Infantilarte (Kinderkunst) gestalten, dessen Geschichten die Fünf- bis Zwölfjährigen selbst verfassen sollten. Raphael bot an sich um das Design zu kümmern. Neben dem Text wollte er natürlich auch Bilder ins Buch bringen.
Für diese führte er die Kinder bereits im Dezember in die Technik des Linolschnittes ein. Aus einer Gummiplatte werden dabei Stempel geschnitzt, mit denen dann gedruckt werden kann. Danach ging es natürlich um die Geschichten der 24 Kinder selbst. Wer noch nicht selbst schreiben konnte, der erzählte seine Geschichte Raphael, der schrieb sie dann auf.
Die Erzählungen handelten von neuen Haustieren, Instrumenten oder Religiösen Charakteren. Besonders aber heimische Tiere wären am häufigsten vorgekommen, meint Raphael, „es ist eigentlich ganz schön, weil das Buch so eine ganze Fauna wiederspiegelt“.
Bis das Werk aber gedruckt in die Kinderhände übergeben werden sollte, waren es dann noch zwei weitere Monate in denen der Sozialdiener schnitzte, druckte, designte und band. Das alles mit kaum finanziellen Mitteln und fast ausschließlich recycelten Materialien. Doch die viele Arbeit lohnte sich, sagt Raphael: „Die Kinder waren sehr, sehr stolz. Das war wunderschön zu sehen“.
Ein nachhaltiges Willkommensschild für Malacatoya
Die Casa de los Tres Mundos ist nicht nur in Granada bekannt und geschätzt sondern betreut zudem einige Außenstellen. Eine davon ist in Malacatoya, einem Dorf 30 Kilometer nördlich, das bei einem Hurrikane fast komplett zerstört wurde. Die Casa half den Einheimischen beim Wiederaufbau und initiierte ein Dorfentwicklungsprogramm in Malacotaya. Dazu gehört seit einem Jahr die Rincón de Cuentos (Leseecke), ein kleines Kinderzentrum mit Büchern und Betreuung.
Das Problem: Es gab nie ein schönes Schild. Zum einjährigen Jubiläum bot sich Raphael nun an ein solches zu gestalten. Aus Holz schnitzte er mit den Kollegen in der Casa ein Hochrelief, schliff es, lackierte es und präparierte das Holz gegen Wind und Wetter. Zusammen mit einer Stange vom Schrottplatz kam das Schild schließlich nach Malacatoya. Beim Loch graben und Zement mischen waren dann natürlich auch die Jungs aus dem Dorf kräftig am helfen. „Das war dann irgendwie schön, dass das Schild nicht nur ich alleine aufgestellt habe, sondern mit den Kindern gemeinsam. Und die waren dann natürlich auch unglaublich stolz, als es dann wirklich fest stand“, lacht Raphael.
Imagefilm für das Jonglagetalent Cesar Amaruc
Nach der Schule bleibt jungen Erwachsenen in Nicaragua leider oft nichts anderes übrig als für wenig Geld Sachen auf der Straße zu verkaufen. Dabei gehen viele kreative Köpfe verloren. Eines dieser aufstrebenden Talente heißt beispielsweise Cesar Amaruc, ein junger Jonglierkünstler und Freund, für den Raphael einen Imagefilm produzierte.
„Ich bewundere Cesar einfach sehr. In Nicaragua für ein Hobby zu leben, ist unglaublich hart. Für uns ist das kaum vorstellbar bei dem Angebot an Freizeitaktivität, das wir in Österreich haben.“, sagt Raphael. In ärmlichen Verhältnissen und mit Drogenproblemen aufgewachsen, will Cesar Amaruc heute aus seinem Leben etwas machen und das bedeutet für ihn: Um jeden Preis Jongleur werden. Dafür übt er seit drei Jahren täglich viele Stunden. „Da wollte ich ihn unterstützen, denn seine Familie kann es nicht und wer kann es sonst?“, erklärt Raphael.
Ein Jahr in Nicaragua – Raphaels Resümee
Wie verändert man sich während eines Sozialdienstes? Raphael meint man wandele sich sehr stark. Er sei unglaublich gewachsen, habe jeden Tag neues gelernt und verstehe die eigene Kultur jetzt viel besser. Auch sei ihm nun bewusst, was für ein Privileg es wäre in Österreich geboren worden zu sein. Besonders zu schätzen gelernt hat Raphael, dass seine Arbeit so gesehen wurde. In Österreich fehlt ihm diese Wertschätzung für Soziale Arbeit.
Bei allem Kulturtrubel in der neuen und alten Heimat hat Raphael aber zumindest nicht den Humor verloren: „Wenn dann hier alle wieder den Hunden mit dem Sackerl für dein Gackerl an der Leine hinterher rennen, denk ich mir schon, also wir ham schon an ganz schönen Pascher teilweise“.
Naja, in Nicaragua läuft das Leben einfach doch ganz anders.
Quelle: Kneller
Von Tobias Mayr
Mehr von Raphael Reichl’s Auslandsdienst-Jahr: